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Staatsbürgerlicher Unterricht
betr.: „Das Parlament ist keine Käsetheke“, taz vom 14. 9. 17
Lieber Martin Kaul, obwohl selbst Mitglied der PARTEI, werde ich sie natürlich jetzt nicht wählen – aber Ihr moralisierender Artikel von heute, „dessen einzige Erfüllung es ist, sich über andere zu erheben“, könnte mich im letzten Moment glatt dazu bringen. Und wenn es um eventuell verschenkte Stimmen geht: Wenn „linke Spaßböldchen“ ihre Stimme den Grünen geben, ist das keine verschenkte Stimme? An der PARTEI liegt es nun wahrlich nicht, wenn die AfD ins Parlament kommt, denn als 1990 jene völlig überstürzte „Wiedervereinigung“ verfügt wurde, der wir maßgeblich den heutigen Schlamassel zu verdanken haben, gab es sie noch gar nicht. Ihr staatsbürgerlicher Unterricht, der den potenziellen Wählern der PARTEI bescheinigt, „verachtenswert“ zu sein, „snobistisch“, „dekadent“, „bourgeois“, ist an Selbstgerechtigkeit nicht zu überbieten. JOCHEN SCHIMMANG, Oldenburg
Herrschaftsgestus
betr.: „Immer auf die Kleinen“, taz vom 13. 9. 17
Liebe taz,
mir gefällt der Artikel ja sehr gut, hätte nur der Autor Jörg Wimalasena nicht selbst vor wenigen Tagen („Die PARTEI macht Politik nicht besser“, taz vom 7. September) mit einer unvergleichlichen Überheblichkeit über die Partei Die PARTEI, sozusagen vom Olymp des ernstenJournalismus herab, abgeurteilt (und sie für nichtig befunden, denn schließlich taugt sie nicht zur Rettung der Welt), um im selben Atemzug gleich noch Satire per se als überholt zu erkennen wegen ihres doch zu gebildeten Publikums (ganz im Gegenteil zum alten Arbeiter-und-Bauern-Blatt taz).
Bei diesem Herrschaftsgestus muss allen LeserInnen doch das Herz aufgehen: Zum Glück gibt es einen Journalisten bei der taz, der uns erklärt, wer es würdig ist, gehört zu werden und wer nicht.
JONATHAN KRAEMER, Heidelberg
Wählbar oder nicht
betr.: „Das Parlament ist keine Käsetheke“, taz vom 14. 9. 17
Die von Ihnen angeprangerte Wahlentscheidung ist genauso überlegt getroffen worden wie Ihr Verriss. Sie versuchen doch mit Totschlagargumenten im letzten Absatz die Erkenntnis, dass die anderen Parteien (für den anonymen PARTEI-Wähler „Jochen Rödder“) nicht wählbar sind, anzugreifen. Damit tun Sie aber genau das, was Sie in der zweiten Spalte („In der Welt ist nur gut, wer tut, was ich mag“) negieren. Jede/r muss also für sich selbst entscheiden, was er/sie für wählbar oder nicht hält. Aber offenbar hat Ihr Kollege mit einer pseudonymen Stellungnahme die richtige Entscheidung getroffen. Ich bin im Übrigen ein Freund von Klientelpolitik, und wenn die SPD es eines Tages wieder schafft, Politik für die Klientel zu machen, die sie hinterher wählt oder wählen soll, werde ich mich sofort von der PARTEI abwenden. CARSTEN HERKELMANN, Dortmund
Schnupsis, zynisch, dekadent
betr.: „Das Parlament ist keine Käsetheke“, taz vom 14. 9. 17
Lieber Martin Kaul, zwei Dinge möchte ich zu Ihrem Artikel anmerken: Erstens machen Sie dasselbe, was unsere Politik seit Jahren unerträglich macht, nämlich das moralische Gegnerbashing. Statt sich inhaltlich zu positionieren und einen eigenen Blickwinkel beizutragen, feuern sie eine rhetorische Salve nach der anderen ab: Schnupsis, zynisch, dekadent, snobistisch, Besserwisser. Zweitens: Ich bewerte das Wählen der PARTEI anders als Sie, auch wenn ich zugeben muss, unentschlossen zu sein. Umso mehr hätte ich mich gefreut, von Ihnen überzeugt zu werden. Mit Ihrem Gepöbel erreichen Sie mich allerdings genauso wenig wie die AfD. MELANIE POPPE, Berlin
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