piwik no script img

AusgesummtViele Wildbienenarten sind vom Aussterben bedroht. Und auch bei den Honigbienen gibt es immer wieder Berichte , wonach ganze Völker den Winter nicht überleben. Was ist da los? Was kann man tun? Und wie sähe eine Welt aus, in der die Bestäuber fehlen?▶Schwerpunkt SEITE 43–45Summ, summ, summ …

Interview Jördis Früchtenicht

taz: Herr von der Ohe, in den letzten Jahren gab es immer wieder Berichte über massenhaftes Bienensterben. Wie ist die Lage der Bienen momentan?

Werner von der Ohe: Über den vergangen Winter sind in etwa 20 Prozent der Bienenvölker in Deutschland an der Varroamilbe eingegangen. Im Jahr davor war die Verlustrate extrem niedrig. Ein Winter ohne Verluste ist allerdings kaum möglich, weil auch durch andere Faktoren, wie etwa den Verlust der Königin, Bienenvölker verloren gehen. Aber die Varroose, so wird der Befall der Bienenvölker mit der Varroamilbe genannt, ist nachweislich das Hauptproblem. Dennoch waren die Chancen für die Honigbienenvölker zu Beginn dieses Jahres sehr gut.

Wie das?

Viele Imker haben sehr viele Jungvölker gebildet. Das ist ein Vorteil bei den Bienen – man kann aus einem Volk in der Bienensaison, also in Frühjahr und Sommer, ein zweites bilden. So kann ein Imker seine Population deutlich aufstocken. Auch wildlebende Bienenvölker vermehren sich auf diesen Weg der Schwarmbildung. Wäre dies nicht möglich, wären irgendwann durch ständige Verluste keine Völker mehr da. Aber solange wir den Imker haben, der sich um die Honigbiene kümmert, stirbt sie nicht aus.

Verläuft diese Saison bislang gut?

Wir haben derzeit in einigen Gebieten das Problem, dass die Nahrungsversorgung relativ schnell zusammengebrochen ist. Das Blütenmeer, was wir normalerweise im Juni und im Übergang zum Juli haben, ist deutlich knapper ausgefallen als im langjährigen Mittel. Unser Bieneninstitut hat diese Woche eine Warnmeldung herausgegeben, dass die Bienenvölker dringend von den Imkern auf ihren Futtervorrat hin untersucht werden müssen. Nicht, dass die Bienen Gefahr laufen zu verhungern. Sie benötigen derzeit viel Futter, um ihr Brutnest aufrecht zu erhalten.

Findet die Fütterung nicht normalerweise erst zum Winter hin statt?

Das ist jetzt im Prinzip eine Notfütterung. Wobei Füttern nicht heißt, dass man ein künstliches Futter geben muss, sondern dass man zum Beispiel Honig oder bereits entnommene Waben an die Bienenvölker zurückgibt. Das ist ein Gebot der Fairness gegenüber den Bienen, schließlich profitiert der Imker ja sonst durch den Überschuss, den die Bienen produziert haben. Das andere ist die Winterauffütterung mit Zuckersirup, das macht man jetzt auf keinen Fall, denn damit würde man die Bienen aus dem Brutgeschäft herausbringen. Die erfolgt erst im Oktober.

Trägt die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen, die nur über einen kurzen Zeitraum blühen, zum Bienensterben bei?

Der Hauptgrund ist definitiv die Varroose. Dennoch spielt die Agrarlandschaft auch eine gewisse Rolle, vor allem, was die Ernährungslage betrifft. In einem langjährigen Projekt haben wir nachgewiesen, dass sich Bienenvölker in der Stadt besser entwickeln als auf dem Land, weil sie dort ganzjährig relativ gute Nahrung zur Verfügung haben. In extremen Agrarstandorten blüht im Sommer häufig nichts mehr.

Wie problematisch ist der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft?

Pflanzenschutzmittel stellen vom Grundsatz her natürlich eine Gefahr dar, allerdings haben die Landwirte erhebliche Auflagen zu erfüllen und die Anzahl der tatsächlichen Bienenvergiftungsfälle ist über die Jahre auf relativ gleichem Niveau geblieben. Es wäre natürlich schön, wenn es überhaupt gar keine Vergiftungsfälle gäbe. Unklar sind vor allem die Auswirkungen des Einsatzes von Insektiziden auf andere Insekten, also auch auf Wildbienen, zu denen etwa die Hummel gehört. In Deutschland gibt es weit über 500 Wildbienen-Arten, von denen 60 Prozent vom Aussterben bedroht sind. Zudem sind viele dieser Arten extrem angepasst, sie ernähren sich also nur von bestimmten Pflanzen, etwa Glockenblumen. Wenn die angepassten Bienen diese Pflanze nicht mehr finden, sind sie vom Aussterben bedroht. Zudem fehlt es ihnen an Nestmöglichkeiten.

Bei den Wildbienen ist es also ein Problem, dass man „aufgeräumte“ Landschaften hat, also dass zum Beispiel abgestorbenes Holz nicht mehr liegen gelassen wird?

Werner von der Ohe

62, ist promovierter Biologe und seit 2000 Leiter des Instituts für Bienenkunde in Celle, das zum Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gehört.

Genau, Wildbienen nisten teilweise im Bodenbereich. Dieser Bereich muss dann über längere Zeit ungestört bleiben, damit die Population übersteht. Larven und Puppen, die sich aus den abgelegten Eiern entwickeln, überstehen den Winter im Boden und schlüpfen im nächsten Frühjahr. Wenn die Population auf einer Fläche siedelt, die im Herbst umgebrochen wird, verschwindet sie.

Welche Probleme können wir durch das Verschwinden der Bienen bekommen?

So ein Szenario können wir uns nur errechnen, wir haben es ja Gott sei Dank nicht. Wenn die Honigbiene oder die Bestäuberinsekten insgesamt fehlen würden, geht man davon aus, dass uns ein Drittel der Nahrung fehlt. Man mag jetzt vielleicht denken, zwei Drittel reichen auch. Es kommt aber darauf an, welche Nahrungsmittel fehlen – das sind nämlich die Früchte – nicht nur Obst im engeren Sinne, sondern auch Ölfrüchte – und teilweise Gemüsesorten. Also die Lebensmittel, die uns die Vitamine bringen, die wir selber nicht produzieren können.

Wie sinnvoll ist das Urban Beekeeping, also das Halten von Bienen in der Stadt?

Das Urban Beekeeping ist nichts Neues, es gibt Fotos aus den 1930er-Jahren, die die Bienenhaltung in Berlin zeigen. In den vergangenen Jahren gab es aber einen enormen Hype. Dies ist eine erfreuliche Entwicklung. Gleichwohl muss sich jeder seiner Verantwortung bewusst sein. Man hat es mit einem Tier zu tun, um das man sich wirklich kümmern muss. Es ist nicht einfach, festzustellen, wie gut es den Bienen geht. Man muss sich vernünftig fortbilden, sodass man weiß, wie man mit diesem Tier umzugehen hat. Auch die Varroamilbe muss konsequent bekämpft werden. Wer das nicht macht, handelt grob fahrlässig, weil er schlussendlich damit auch eine Gefährdung für andere Bienenvölker verursacht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen