Daniel Schulz sucht in Berlin nach den Farben Blau und Gelb: Die unsichtbaren Ukrainer
Gibt es eine ukrainische Community in Berlin? Nein, sagen meine paar ukrainischen Freunde und Bekannten. Kein Kulturhaus. Keine Bars. Keine Restaurants. Obwohl, es gibt das „Odessa Mama“, Nähe Innsbrucker Platz. Aber da streiten sie dann auch wieder. Warum man immer wieder nur über dieses eine Restaurant rede, das sei doch schon ein Zeichen für das Fehlen einer ukrainischen Community. Andererseits zählt das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg über 9.800 Ukrainerinnen und Ukrainer in Berlin. Die müssen doch wenigstens manchmal auch etwas zusammen machen.
Machen sie ja auch.
Der Maidan, die „Revolution der Würde“ 2014 in der Ukraine, hat das Leben vieler Ukrainer in Berlin verändert. Das Bedürfnis, sich zu verbinden, ist größer geworden. Manche suchen einfach mehr nach ukrainischen Freunden. Die fragen sie dann vielleicht in der Facebookgruppe „Ukrainians in Berlin“ nach guten Ärzten und Handwerkern. Sie treffen sich auf Konzerten. Bei „Okean Elzy“, der berühmtesten ukrainischen Band, waren im Februar auch solche, die mit Poprock wenig anfangen können. Und zu dem ethno-angehauchten Gesang von „Dakha Brakha“ am nächsten Dienstag im Festsaal Kreuzberg werden auch einige kommen, die finden, das sei keine ukrainische Musik mehr, sondern westlich angepasster Seichtschmarrn.
Andere kochen Marmelade oder fahren zum Zelten an brandenburgische Seen. Sie zeigen ukrainische Filme in der Brotfabrik. Oder gründen gleich Vereine wie die Ukraine-Hilfe und kul’tura. Sie sammeln Geld, damit sich 19 Kinder aus der Frontstadt Awdijiwka gerade bei Potsdam zwei Wochen erholen können. Sie laden Pianisten und Maler nach Berlin ein.
Was die UkrainerInnen in Berlin bisher von den fast 100.000 offiziell gezählten Türken und den über 50.000 Polen in Berlin unterscheidet, ist vor allem die Sichtbarkeit. Es gibt keinen Ort, wo man – abgesehen von der Botschaft – auf jeden Fall Ukrainer trifft. Ein ukrainisches Kulturzentrum sei aber ernsthaft geplant, sagen Aktive in Berlin. Die Politiker in der Ukraine würden langsam erkennen, wie nötig es sei, zeitgenössische Kultur und Kunst in Deutschland, in Berlin zu zeigen. Bisschen schneller wäre gut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen