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Wo Adorno weinte

SCHREIBEN Marcel Beyer stellt sein jüngstes Buch in Hannover und Hamburg vor – es geht ums Auge

Nun also das Auge. Bekannt gemacht hat Marcel Beyer ein Roman, in dem es ums Hören ging, ums Ohr also – aber eben mindestens so sehr auch schon um die Apparate der Aufzeichnung und Verstärkung: „Flughunde“ begründete 1995 den Ruf des – unter anderem – Spex-Autors als einer, auf den zu achten ist. Im Jahr darauf zog er von Köln nach Dresden, was ihm eine ganz andere Perspektive aufs „Jahrhunderthochwasser“ des Jahres 2002 ermöglichte. Das wiederum ließ sich in Beyers schöner Essay-Sammlung „Nonfiction“ (2003) überprüfen.

Prosa hat der Literaturwissenschaftler immer nur unter anderem geschrieben, daneben Aufsätze und immer wieder auch Gedichte. Egal in welcher Gattung aber, ist sein Schreiben gekennzeichnet vom Suchen, von einem Interesse am Material, der Sprache selbst also – was ihn unterscheidet von all denen, für die ein Roman oder eine Erzählung vor allem eins heißt: Plot.

„Texte mit spektakulärem Inhalt sind mir in gewisser Weise von vornherein suspekt“, das ist so ein Beyer-Bonmot, das nicht jedem einleuchten wird: Schon „Flughunde“ handelte ja zumindest auf einer Ebene vom Ende des Zweiten Weltkriegs – größer, spektakulärer ging es hierzulande lange kaum.

Ein Foto, abgedruckt 1938 im Life-Magazin, genauer: ein Schatten ganz an seinem Rand – unspektakulär ist tatsächlich, was Beyer nun in „Das blindgeweinte Jahrhundert“ (Suhrkamp, 271 S., 22,95 Euro) zum Ausgangspunkt nimmt, um schreibend nachzudenken über das Auge als wesentliches Mittel, die Welt wahrzunehmen, aber eben auch als Teil des Körpers. Und so stößt er neben fotografierenden Affen dann eben auch auf die Tränen des Theodor W. Adorno. ALDI

Di, 2. Mai, 19.30 Uhr, Literaturhaus Hannover; 28. Juni, 16.15 Uhr, Universität Hamburg, Von-Melle-Park 6, Hörsaal D

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