Stasi poliert das Image des Papstes auf

DDR-Spitzel spionierten seit 1974 Joseph Ratzinger nach – weil er „einer der schärfsten Gegner des Kommunismus“ sei. Der heutige Benedikt XVI. soll beim Sturz der Regime Osteuropas geholfen haben. Stasi fand kein belastendes Material aus NS-Zeit

VON PHILIPP GESSLER

Benedikt XVI. kann sich derzeit über gute Presse freuen. Erst löst er durch ein vierstündiges Tete-a-tete mit dem Kirchenkritiker und früheren Tübinger Professorenkollegen Hans Küng eine kleine innerkirchliche Revolution aus. Dann erlaubt er auf der derzeitigen Bischofssynode in Rom erstmals offene Diskussionen, etwa zur Frage des Abendmahls für wieder verheiratete Geschiedene. Und schon folgt die nächste Sensation des deutschen Papstes: Ausgerechnet Stasi-Unterlagen attestieren ihm Positives. Rund 15 Jahre lang spionierte der Spitzeldienst der DDR Joseph Ratzinger intensiv aus – und liefert ihm heute ungewollt zwei mediale Ehrenkränze: als unbelasteter Junge in der NS-Zeit und als ein Hauptfeind der Stasi.

Die Bild am Sonntag hatte bei der Stasi-Unterlagen-Behörde schon vor der Wahl Ratzingers zum Papst einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt. Die Birthler-Behörde trug Material zusammen und fragte pflichtgemäß beim dann gewählten Papst Benedikt XVI. nach, ob sie das Dossier veröffentlichen dürfe – was dieser ausdrücklich befürwortete. Denn die Stasispitzel trugen seit 1974 aus heutiger Sicht durchaus Schmeichelhaftes über den damaligen Professor für Dogmatik aus Regensburg, späteren Erzbischof von München-Freising und schließlich obersten Glaubenshüter im Vatikan zusammen: Ratzinger gelte „als einer der schärfsten Gegner des Kommunismus“, hieß es in den Stasi-Akten. Er sei schon 1980 von seinem, laut Stasi engen Freund Papst Johannes Paul II. „mit der Organisation der kirchlichen Unterstützung in der BRD für die konterrevolutionäre Entwicklung in Polen“ beauftragt worden. Auf Deutsch: Ratzinger half über die verdeckte Unterstützung der polnische Solidarność mit, die Unterdrücker-Regime in Osteuropa zu stürzen.

Darüber hinaus helfen die Stasi-Unterlagen Benedikt XVI. damit, ein Image-Manko zu entschärfen: Da der heute 78-jährige Ratzinger in der NS-Zeit Hitlerjunge und Flakhelfer war, hatten vor allem britische Boulevardblätter unmittelbar nach seiner Wahl zum Papst im April dieses Jahres eine Nazi-Nähe Ratzingers zu konstruieren versucht. Die nun veröffentlichten Akten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) lassen eine solche Interpretation jedoch in keiner Weise zu – und das, obwohl das MfS gerade nach solch belastendem Material gegen Ratzinger offenbar intensiv geforscht hat: „Dokumente zu R. aus der Zeit vor dem 8. 5. 1945 sind nicht vorhanden“, notierte die Stasi trocken. Die MfS-Spione attestierten Ratzinger außerdem eine „hohe Intelligenz“ und einen „gewinnenden Charme“.

Die Stasi-Akten beleuchten zudem die gehörige Angst, die die DDR vor den Aktivitäten der evangelischen und katholischen Kirche als Organisationen mit begrenzter Unabhängigkeit hatte. Mindestens acht Spione waren auf Ratzinger angesetzt. Beim Besuch Ratzingers 1987 auf dem Katholikentag in Dresden wurde noch die kleinste Bewegung des Oberhirten registriert.

Recht eindrucksvoll ist auch, dass die Stasi schon zwei Jahre vor seiner Berufung zum Präfekt der Glaubenskongregation 1981 Hinweise hatte, dass Ratzinger den wohl zweitwichtigsten Job in der Weltkirche erhalten werde. Insgesamt gehen Experten davon aus, dass die Stasi über 220 „Inoffizielle Mitarbeiter (IM)“ in Kirchenkreisen hatte – zwei sogar im Vatikan.

Andererseits zeigen die nun veröffentlichten Akten, dass es der Stasi nicht wirklich gelang, an ganz heiße Informationen über die Kirche in Deutschland und weltweit heranzukommen. Vielen IMs lieferten kaum mehr Informationen, als in öffentlich zugänglichen Westmedien sowieso nachzulesen war.