: Re: Unsubscribe! Delete! Und: Please do not reply!*
Lieber Jan,
unerwünschte Hotelwerbung, Mails von Fluglinien, Sonderangebote von Versandhändlern – darüber hast du dich kürzlich an dieser Stelle beschwert. Die Nachrichten verstopfen dein Postfach, unter dem ganzen Müll findet man nicht mehr, was man sucht, und wenn man es nicht sucht, schon gar nicht. Wichtige Mails, die untergehen, wegen der Sache mit dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht, klar, das kennt man.
Was also tun? Antworten? Die Mailadresse wechseln? Schreien?
Du bist einer von denen, die nach der dritten Alternative – Schreien –, die erste gewählt haben: Antworten. Das ist definitiv die freundlichste Idee – aber nicht immer die beste. Du hast vermutet, dass deine Mails mit der Bitte um Abbestellung des unerwünschten Newsletters irgendwo im Nirwana des Absenders oder einer elektronischen Sondermülldeponie landen. Das ist aber nicht das Problem. Ganz im Gegenteil.
Wahrscheinlich ist, dass deine Adresse in Zukunft besonders beachtet wird: Sie hat einen Inhaber zum Inhaber, der tatsächlich existiert (denk mal an die ganzen Geister-Postfächer mit peinlichen Benutzernamen und vergessenen Passwörtern, in die nie jemand schaut). Sie hat außerdem einen Inhaber, der seine Mails auch noch liest und sich die Mühe macht, eine Antwort zu formulieren. Genauso funktioniert es in der Regel mit den Links, unter denen man die unerwünschte Post angeblich abbestellen kann. Einmal draufgeklickt, ist deine Adresse bestätigt. Der Absender jubelt, du fluchst. Und das darfst du künftig noch häufiger: Ist die bestätigte Adresse erst weiterverkauft, gibt’s noch mehr Werbung.
Was stattdessen hilft, ist, sparsam zu sein – wenn man früh damit anfängt. Überlege genau, wem du deine Adresse verrätst, und solltest du nur den geringsten Zweifel an der Seriosität einer Seite haben, ist es meist besser zu verzichten.
Natürlich hat da nicht jeder Lust drauf. Weshalb es kostenlose Wegwerfadressen gibt. Spamgourmet ist einer dieser Anbieter und der Name durchaus ernst gemeint. Du darfst Fantasieadressen kreieren, für die meldest du dich einmal an und gibst dabei eine Beschränkung an: Wie viele Newsletter vom Hotelanbieter oder der Fluglinie, von PayPal oder Dawanda willst du erhalten? Zwei? Fünf? So viele du dir wünschst – zwanzig maximal – leitet der Dienst dann von deiner Fantasieadresse an deine echte Adresse weiter. Alle weiteren werden gelöscht. Kostet nichts, bringt viel. Ein Trick hierbei: Für jede neue Anmeldung bei einer Webseite wie dem Wetterdienst etwa kannst du dir eine neue Fantasieadresse ausdenken. Für den Wetterdienst also zum Beispiel die Adresse wetter.17.deinpseudonym@spamgourmet.com – dann bekommst du die ersten 17 Mails des Anbieters weitergeleitet, danach keine mehr. Wenn du dir diese Mühe machst, bekommst du genau mit, wer deine Daten an wen weiterverkauft – das kann von Vorteil sein, sollte es doch mal eine rechtliche Auseinandersetzung geben. Aber dazu später.
Wenn dir mehr als zwei Adressen zu kompliziert oder zu aufwendig sind: Bei einigen Free-Mail-Anbietern lassen sich auch kostenlose Aliasadressen einrichten. Das ist eine Zweitadresse, die deine Post im selben Ordner wie die Nachrichten an deine Hauptadresse landen lässt, auch hier gibt es also kein Risiko, sie zu übersehen. Kommt eines Tages nur noch Spam an den Alias, kannst du ihn unkompliziert abschalten. Bei beiden Varianten gilt allerdings, dass sie für wichtige Korrespondenz keine gute Ideen sind. Wenn du etwa die Passwort-vergessen-Funktion eines Dienstes nutzen willst, aber die Mail nicht bekommst, weil du eine Wegwerfadresse angegeben hast, die schon abgeschaltet oder aufgebraucht ist, hast du natürlich ein Problem. Ebenso, wenn du plötzlich ohne Telefon dastehst, weil die Kündigungsmail deines Anbieters nicht ankommt.
So viel kannst du machen, um vorzusorgen. Was aber, wenn die nervigen Mails schon da sind? Wenn die Hotelketten und die Fluglinien das Postfach mit Sonderangeboten verstopfen und du den Absendern klarmachen willst, dass sie das bitte einstellen mögen? Die gute Nachricht – du bist nicht allein – ist in diesem Fall die schlechte: Das Softwareunternehmen Symantec beispielsweise hat den Spam-Anteil unter den versendeten Mails im November auf rund 85 Prozent beziffert, und das ist nicht mal ein außergewöhnlich hoher Wert. Auch wenn der Großteil davon nie in Postfächer gelangt, sondern bei den Providern aussortiert wird, macht der Rest Arbeit.
Um es noch mal ganz deutlich zu sagen: Unternehmen dürfen nicht einfach so Werbung schicken. Das kümmert die meisten relativ wenig, vor allem dann, wenn sie ihren Sitz in Ländern haben, in denen sie Anwaltspost zwar erreicht, die daraus folgende Konsequenz aber nicht. Bevor es sich also lohnt, ein Musterschreiben, wie es beispielsweise die Verbraucherzentralen auf ihren Seiten bereitstellen, auszufüllen und abzuschicken, hilft ein Blick auf die Postadresse des Absenders: Bei der Hotelkette hättest du gute Chancen, wenn du dich beschwerst, vermutlich auch bei der Krankenkasse und der Fluglinie. Zumindest dann, wenn du vorher nicht irgendwann eingewilligt hast, Werbung per Mail zu erhalten.
Es gibt dann zwei Möglichkeiten. Die erste: Du leitest den erhaltenen Spam an die Verbraucherzentrale oder die Internet-Beschwerdestelle des Verbands der deutschen Internetwirtschaft weiter. Häufen sich die Klagen über ein Unternehmen, schreiten sie ein, ist der Absender renitent, gehen die Verbraucherschützer auch vor Gericht.
Okay, die zweite Möglichkeit geht ganz schön weit. Aber es gibt sie eben: Du kannst auch einen Anwalt einschalten oder selbst aktiv werden, Musterschreiben der Verbraucherzentrale ausfüllen, abmahnen. Der Vorteil: Hat ein Unternehmen zugesagt, dir keinen Spam mehr zu schicken, wird es sich ziemlich sicher daran halten. Denn falls nicht, muss der Unternehmer die vereinbarte Vertragsstrafe zahlen, du bekommst also Geld. Der Nachteil: Das Verfahren kostet Zeit, Geduld und von beidem deutlich mehr, als das beim Ausdenken einiger Wegwerfadressen der Fall ist.
Ist es für all das zu spät und die Versender sitzen im Ausland, kannst du Spamfilter erziehen. Wenn du mit einem E-Mail-Programm wie Mozillas Thunderbird arbeitest, kannst du Spam markieren oder fälschlich als Spam bezeichnete Mails von der Markierung befreien. Das solltest du auch – denn das Programm lernt. Je mehr Mails du korrekt als Spam markierst, desto mehr erkennt das Programm richtig. Zusätzlich lässt sich eine sogenannte Blacklist einrichten, also eine Liste aller Absender, deren Nachrichten geblockt werden sollen. Spätestens dann sollten von den 238 Mails im Postfach nur noch die relevanten übrig bleiben.
Viele Grüße
Svenja
*
■ Jan Feddersen, taz-Redakteur für besondere Aufgaben, schrieb kürzlich an dieser Stelle über seinen verzweifelten Versuch, Spam-Mails abzubestellen
■ Svenja Bergt, taz-Redakteurin im Ressort Ökologie und Wirtschaft, wollte Jan Feddersen die Verzweiflung nehmen und antwortet ihm darum mit einer Anleitung
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen