piwik no script img

Ermutigung für den Rest des JahresKleine Hintertür

Hamburger Soundtrack

von Nils Schuhmacher

Ein kleiner Leitspruch aus dem Hause Brecht für den Rest des Jahres: „Ihr müsst das ABC noch lernen. Das ABC heißt: Man wird mit euch fertig werden“. Da hüpft das Herz vieler Popjournalisten, denn ganz zufällig ist gleichnamige englische Synthie-Band gerade hier (12. 12., Gruenspan) und da lässt sich flott sowas hinschreiben wie: Die Gruppe ist schon lange da und wird’s noch sein, wenn andere schon – genau – fertig sind.

Aber als ins neue Jahr hinüberlappende, Hoffnung spendende Kampfansage ist das Zitat nicht gemeint. Brecht nahm die Perspektive eines imaginären Dritten ein, um die Lesenden (Proletarier, Revolutionäre, Weltverbesserer) darauf hinzuweisen, dass der Angriff auf sie im vollen Gange ist und immer auf ein bestimmtes Ziel hinausläuft.

Erst am Ende Gedichts öffnet sich eine kleine Hintertür („Aber das soll euch nicht entmutigen!“). Und weil es aktuell auch wieder Anlass gibt, sich von der angebotenen Mischung aus Einfältigkeit, Brutalität und Ignoranz nicht entmutigen zu lassen, hier ein paar alphabetisch sortierte Beispiele zum Entlanghangeln.

1) Anders als ihre Weggenossen aus der Hardcore-Szene klangen Against Me! stets ein bisschen weniger nach Angelrute, Vollbart und Männerschweiß, während sie wie eine wildgewordene Horde am Lagerfeuer, Country, Folk, Blues und Punk wüst zusammenwarfen. 2012 erklärte Sänger Tom Gabel (heute Laura Jane Grace) öffentlich seine Transsexualität und unterzog sich einer Geschlechtsumwandlung. Es bleibt eine der schlaueren Bands des Genres. Da verzeiht man auch den zunehmenden Stadion-Sound (21. 12. Fabrik).

2) Feine Sahne Fischfilet: Die Skapunk-Band wird seit 2011 vom Verfassungsschutz gestalkt. Schönes Nebenresultat: Die Band füllt mittlerweile auch außerhalb des Bundeslandes die Hallen (17./18. 12., Große Freiheit). Und sowieso gut: Sie engagiert sich in der mecklenburgischen Provinz weiter gegen Neonazis.

3) Solange es sowas Verspultes wie HGich.T gibt, kann die Welt noch nicht verloren sein. Eine mit Technosound unterlegte obskure Verknüpfung von Dadaismus, jugendlichem Irresein, Kunst und Infantilität, die alles kaputt macht, was der Welt heilig ist (23. 12., Grünspan). DEF und so weiter.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen