Berliner Szenen: Rauchen/nicht rauchen
Tongeber?
„Einmal noch Natural American Spirit.“
Die Rewe-Kassiererin verlässt ihre Kasse, schlendert zur Vitrine mit den Tabakwaren und öffnet diese der Kundin. „Welche hätten Sie denn gerne?“ Die junge Frau hat die Wahl zwischen einer blauen und einer gelben Verpackung. „Mal sehen! Mal sehen! Tja!“ Offensichtlich eine schwere Entscheidung.
„Blau oder gelb? Mhm!“ Als Nichtraucher kann ich ihr nicht beratend zur Seite stehen. Für mich ist Tabak gleich Tabak und Zigarette gleich Zigarette. Mein einziges Kriterium wäre die Farbe. „Vielleicht sollte ich nach den Bildern gehen“, murmelt die Mittzwanzigerin.
„Das ist eine gute Idee“, pflichtet ihr die Rewe-Angestellte bei. Auf der gelben 30-Gramm-Packung sieht man einen sterbenden Mann, der künstlich beatmet werden muss. Auf der blauen einen Hals mit Loch. „Das ist schöner hier“, scherzt die Raucherin und greift nach dem Loch im Hals. „Gefällt mir auch besser“, stimmt ihr die Kassiererin zu und kichert.
Ich kaufe schon eine Weile in der Filiale Eldenaer Straße ein. So gut gelaunt habe ich sie noch nie erlebt. Vielleicht ist sie euphorisiert, weil ihr Arbeitgeber Edeka jetzt einen Teil der Kaiser’s-Märkte abbekommt. Für die Warnhinweise auf den Packungen ist sie jedenfalls gerade nicht empfänglich. Sie lacht sogar. Wie ihre Kundin. An sich sympathisch. Aber ob die Bundestagsmitglieder, die für Schockmotive auf Zigarettenpackungen gestimmt haben, das auch lustig finden? Wahrscheinlich werden sie es dereinst verschärfen. Irgendwann wird jedes Mal eine Stimme ertönen, sobald man eine Zigarettenpackung in die Hand nimmt: Rauchen verursacht tödlichen Lungenkrebs. Gesprochen von einem kehlkopflosen Menschen, der sich nur mithilfe eines elektrischen Tongebers artikulieren kann. Ich würde es nicht hinbekommen. Stephan Serin
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen