piwik no script img

Am Anfang ein Apfel

Mythos Keine Frucht ist so bedeutungsvoll wie der Apfel. Aber woher kommt er? Eine Spurensuche im Botanischen Garten

Madonna mit Kind von Hans Memling (1487) Foto: Gemäldegalerie/SMB/bpk

von Plutonia Plarre

Frucht des Wissens, der Verführung und des Verderbens: Kein Obst hat in Mythen und Legenden so eine Bedeutung erlangt wie der Apfel. In der Kunst ist er zu finden, und auch Friedrich Schiller soll stets ein paar angefaulte Äpfel in seinem Schreibtisch aufbewahrt haben, um sich an den Ausdünstungen zu berauschen.

Die Beatles hatten den Apfel als Plattenlabel, eine der größten Computerfirmen der Welt hat ihn als Logo. Der Apfel gehört zu den beliebtesten Früchten der Deutschen. Über 2.000 Sorten gibt es hier. Was nichts über seinen Ursprung sagt, denn in Wirklichkeit ist der Apfel ein Kosmopolit.

Die Suche nach der Herkunft beginnt im Botanischen Museum Berlin. Und bei Gesche Hohlstein, einer jungen Biologin mit langen roten Haaren und frischer Gesichtsfarbe, die zeigt, dass sie viel draußen ist. Mit Hohlstein geht es im Museum zu einem gedeckten Frühstückstisch. Brot, Marmelade, Eier und Kaffee stehen neben einer Schale mit Weintrauben, Bananen und Äpfeln. Dahinter eine Weltkarte. Darauf die Lebensmittel vom Frühstückstisch in Form von kleinen Holzfiguren. Soll sagen: Hier kommen wir ursprünglich her.

Der Kaffee klebt auf Ostafrika, die Bananen auf Neuseeland. In Zentralasien, etwa da, wo Kasachstan ist – ein grüner Apfel. „Das ist der Vorfahre unseres Kulturapfels, wissenschaftlich Malus sieversii genannt“, erklärt Hohlstein. „Alle essbaren Apfelsorten, die wir in Deutschland haben, gehen auf diesen Wildapfel mit asiatischen Wurzeln zurück“.

Die Entwicklung bis zu den heutigen Kultursorten dauerte Jahrtausende. Tiere trugen die Samen in ihrem Darm weiter und schieden sie aus. Durch Sämlinge sind zufällige Kreuzungen entstanden. Der Mensch hat die zufällig gefundenen Früchte weiter verbreitet. Schon vor 4.500 Jahren hätten alte Kulturen in Armenien und China die Kunst des Veredelns beherrscht, sagen Fachleute. Veredeln heißt: Man nimmt einen Baum mit wohlschmeckenden Früchten und sucht sich einen kräftigen anderen Baum, der nicht so gute Früchte hat. Auf diesen werden Zweige des guten Baumes gepfropft.

Die Anfänge eines ausgedehnteren Obstanbaus werden in der Blütezeit des alten Perserreichs im 6. Jahrhundert vor Christi verortet. Von Mittelasien ausgehend ist der Apfel dann mit den Griechen und Römern auf den Handelswegen nach Mitteleuropa gelangt. Die kirchlichen Orden im Mittelalter haben ein Übriges getan, die Apfelkultur zu verbreitern.

Genug geredet. Gesche Hohlstein schnappt ihre Jacke und geht hinaus in den Botanischen Garten. Im Nieselregen läuft sie durch die Vegetation des Kaukasus, hinunter in die zentralasiatische Steppe. Da steht er: Der Malus sieversii, Urahne unseres Apfels. Ein windschiefes Bäumchen mit vielen Ästen und kleinen Blättern. Harte, walnussgroße gelbe Früchte liegen darunter. Probieren ist verboten. Aber Hohlstein kennt den Geschmack: bitter. Im Mund bleibe ein pelziges Gefühl zurück. „Selbst die Vögel fressen die Früchte erst, wenn sie nichts anderes mehr finden.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen