: KUNST
KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um
Die abstrakten Skulpturen von Lisa Tiemann wirken, als würden sie sich gerade aufbäumen, um von ihren Podesten zu hopsen, oder so, als hätte die Künstlerin sie mitten in der Bewegung von einer Pose zur nächsten erstarren lassen. Tiemanns Paare – „Couples“ heißen die Arbeiten in ihrer ersten Berliner Einzelausstellung bei Kanya allesamt – setzen sich jeweils, wie das bei Paaren oft so ist, aus zwei sehr unterschiedlichen Materialien zusammen, aus einem Objekt aus glasierter Keramik und einem aus Pappmaché. Die Ton- und Pappstränge schmiegen sich aneinander, in die gleiche zeichnerische Form, für die die Gesetze der Schwerkraft scheinbar nicht gelten (bis 30. 7., Sa. 13–18 Uhr und nach Vereinbarung, Choriner Str. 81).
Um Material geht es auch in der von Melanie Bühler kuratierten Gruppenausstellung „Inflected Objects #2 Circulation – Otherwise, Unhinged“ in der Future Gallery, genauer gesagt: um dessen Unsterblichkeit und die damit verbundenen Auswirkungen auf Ökologie wie Ökonomie. Objekte, die uns umgeben, hören schließlich nicht einfach auf zu existieren, wenn sie entsorgt wurden. Vielmehr begegnen sie uns in einem unaufhörlichen Kreislauf immer wieder in neuen Formen. So bilden Verpackungen aus Plastik mittlerweile im Meer ganze Inseln. Die, aus denen Nina Canells „Sheadding Sheaths“ bestehen, tragen noch eine weitere Bedeutungsebene in sich: Einst waren sie Hüllen von Glasfaserkabeln zur Datenübertragung digitaler Kommunikation. Weniger sichtbar: Die Östrogene aus der Antibabypille im Abwasser. Juliette Bonneviot hat silbrig glänzende Objekte aus Materialien gebildet, die Östrogene oder Xenoöstrogene enthalten, darunter Blei, Kadmium, Aspirin, Soja und Pestizide. Wie sich die Natur Raum zurückerobert, versinnbildlicht indes Bea Fremdermann. Sie hat weggeworfene Kleidung in einen Nährboden für – ausgerechnet – Chiasamen verwandelt (bis 30. 7., Mi.–Sa. 13–18 Uhr, Schöneberger Ufer 79).
Bei Arratia Beer versammelt die Sommerausstellung „Come as you are“ einstweilen Künstler der Galerie, ohne gemeinsames Thema, vielmehr als Kaleidoskop der Einzelpositionen. Haleh Redjaians feine Rasterzeichnungen auf Papier und Teppich, changieren zwischen Geometrie und Ornament. Fernanda Fragateiro transformiert Bücher und Magazine in unlesbare, skulpturale Objekte. Maria Anwander ironisiert künstlerisches Schaffen und hängt vier leere Holzrahmen an die Wand. Gabriel Acevedo Velarde nimmt die politischen Verhältnisse seiner Heimat Peru aufs Korn, indem er Löcher in Fotografien von Ministerien bohrt (bis 6. 8., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Potsdamer Str. 87).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen