Großzügige Reiche, gibt es die?
: Alle nur hinter dem Geld her

Kolumne Bridge & Tunnel

von Ophelia Abeler

Ich wünsche mir mehr Großzügigkeit, ich wünschte, mehr Leute zögen sich morgens gleich als erstes die Spendierhosen an, und zwar welche mit ganz tiefen Taschen. So wie The Cure letzte Woche, als sie im Madison Square Garden spielten. Erst fand ich die Karten mit 130 Dollar ganz schön teuer, aber als sie etwa 25 Songs gespielt hatten, wurde mir klar, dass das Konzert inzwischen genauso billig war wie eine chinesische Massage, die in der Regel einen Dollar pro Minute kostet.

Nach der letzten Zugabe, dem 31. Song dieses Abends, lagen wir nur noch bei etwa 85 Cent pro Minute Musik, und Robert Smith sang kein bisschen weniger hingebungsvoll. Im Gegenteil, er war noch durchlässiger geworden, es strömte spürbar von Herzen kommend aus ihm heraus, dabei hätte er seit einer Stunde schon in seinem Hotelbett liegen können, ohne dass es ihm irgendwer übelgenommen hätte. Ich war überwältigt von so viel Großzügigkeit.

Und hier ging es nur um Musik und Zeit, die man hat, andere damit glücklich zu machen. Was wäre, wenn die, die es könnten, mit ihrem Geld so umgingen? Großzügigkeit könnte die Welt retten, echte Großzügigkeit, nicht das, was Mark Zuckerberg dafür hält oder irgendwelche Charity Ladies mit Kugelfischgesichtern. Ich weiß, es ist banal, das zu sagen, aber ich wollte es gesagt haben, um mich ein bisschen besser zu fühlen.

Denn seit Donald Trump wieder angefangen hat, mir E-Mails zu schreiben, obwohl ich wegen massiver Vergiftungserscheinungen seinen Newsletter abbestellt hatte, fühle ich mich nicht so besonders. The Donald ist nur hinter meinem Geld her, er appelliert an meine Generosität, obwohl er viel hat und ich nichts.

Trump hätte gern Geld, um etwas gegen Muslime zu unternehmen, er hätte gern Geld, um etwas gegen Immigranten zu unternehmen, was mir gegenüber besonders unsensibel ist, da ich von Immigranten abstamme, und er hätte gern Geld, um etwas gegen Hillary Clinton zu unternehmen, die er eine korrupte Lügnerin nennt, während er dummdreist über die Höhe der an ihn geflossenen Spenden lügt. Mich würde interessieren, ob er jemals Geld, Macht und Energie für etwas aufbringen würde, das sich nicht gegen andere richtet.

Diese Fragen stelle ich mir, nachdem ich das Wochenende in einem Tennisclub und am Strand von Southampton verbracht habe. Dazwischen habe ich schnell die Nähmaschine einer Britin namens Victoria repariert, gratis, während sie sich darüber beschwerte, ihre Pfunde vor dem Brexit nicht aus dem Land geschafft zu haben – die Bank habe schmählich versagt, auf die erlittenen Verluste müsse man die verklagen!

Juden, Schwarze, Ledige

Im Tennisclub landete ich mit einer Freundin, weil wir eine alte Dame, ein ehemaliges Fotomodell aus Deutschland, reich verwitwet von einem amerikanischen Stockbroker, dort hinkutschierten. Auch die alte Dame hatte Angst, dass alle nur hinter ihrem Geld her seien, vor allem ihr jüdisch-französischer Bauleiter, der eines ihrer Häuser renoviert. Ein Betrüger sei das, schlechte Arbeit mache der, typisch für diese Art von Menschen. (Als Jude kommt man natürlich nicht in den ­Southamptoner Tennisclub, als Ausländer auch nicht, als Afroamerikaner selbstredend nicht und als geschiedene oder ledige Frau und potenzieller Home­wrecker ebenfalls nicht).

Meine geistreiche Freundin überspielte diese beschämende Aussage mit Rücksicht auf Alter und anzunehmende Lernunfähigkeit der bösen Frau elegant: „Die Franzosen sind die Schlimmsten!“

Nach dem Tennisclub besichtigten wir die Baustelle und stellten fest, dass das zurzeit unbewohnte Haus ganz nah am Strand liegt. Dem unerreichbaren, traumhaften Strand von Southampton, vollkommen durch die am Ozean liegenden gigantischen Estates der Superreichen abgeriegelt, quasi ohne Parkmöglichkeit, weil man dafür eine Anwohnerplakette benötigt, obwohl die Strände angeblich öffentlich sind.

Wir schlugen uns durchs Gebüsch über die Düne, zwischen Calvin Kleins und Aby Rosens Grundstücken hindurch. Ein komplett leerer Strand. Die, die dort liegen könnten, haben keine Zeit oder sind sich zu fein dafür. Die, die dort gern liegen würden, können nicht hin.

Ophelia Abeler ist Kulturkor­res­pondentin der taz in New York