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: Ein Boden, auf dem sich Gefühle bewegen

The Invita­tion (USA 2015; Regie: Karyn Kusama)↓

Will ist unterwegs zur Exfrau namens Eden, zu einer Party in einem Haus in den Hollywood Hills, das er und sie einst gemeinsam bewohnten. Mit dabei Kira, seine neue Freundin. Glatt geht schon die Fahrt dahin nicht. Ein Kojote läuft ihnen vors Auto, ist verletzt, aber nicht tot. Will greift zum Wagenheber und schlägt so lange auf das Tier ein, bis es nicht mehr jault. Gefilmt ist das aus dem Wageninnneren heraus, man sieht Will, man sieht nicht das Tier, man kann hier schon erkennen: Regisseurin Karyn Kusama arbeitet mit einer Bildpolitik, bei der es sehr darum geht, was man sieht, was man ahnt und was im Verborgenen bleibt.

Auf der Party sind alle sehr freundlich, besonders zu Kira, dabei ist sie für alle anderen noch eine Fremde. Da ist Eden im weißen Kleid und ihr jetziger Mann. Ein schwules Paar, Freunde von früher, Freunde von heute, die Will noch nicht kennt, alle nicht mehr ganz junge Menschen, mitten im Leben, man umarmt sich, man herzt sich, man trinkt teuren Wein, alle sind offenkundig wohlhabend, gute Gesellschaft. Auf einen wird noch gewartet, ein anderer, der nicht eingeladen war, taucht auf und geht nicht wieder. Die Stimmung ist gut, und doch stimmt etwas nicht. Da steht eine Frau halbnackt im Gang.

Die Rückkehr ins Haus

Will hat Erinnerungsflashbacks, ausgelöst durch die Rückkehr ins Haus, er beobachtet ein Kind, das nicht da ist, er hört Schreie, sieht Blut. Wir hören Schreie, wir sehen Blut, Will ist die Figur, der die Zuschauerin folgt. Unklar ist nur, ob man seiner Wahrnehmung trauen kann, ob all das, was einem ungut erscheint, dem realen Geschehen oder eher seinen Wahnvorstellungen entspringt.

Kusama tut in Kadrierung und Schnitt, was sie kann, um Verunsicherung auszulösen. Suggestive Großaufnahmen von Dingen lösen in rascher Montage den realistischen Raum auf, die Erinnerung an Gewalt wird dadurch zur Bildform. Der Soundtrack ist präsent, aber nicht aufdringlich, wenig moduliert, ein Boden, auf dem sich nur ungute Gefühle bewegen. Nie bekommt man ein vollständiges Bild vom Haus, in dem das Geschehen die ganze Zeit spielt. Rasch wechseln die Blickwinkel, nie stabilisieren sich Figuren und Figurengruppen, weil die Kamera immerzu von einer Stelle an eine andere springt.

Sehr unscharf sind die Hintergründe, in denen fast immer ein oder zwei Partygäste herumstehen, ohne dass man erfährt, was sie sprechen, was sie treiben. Dennoch ist dadurch ständig Unruhe im Bild. „The Invitation“ spielt fast ausschließlich in diesem Haus, ist ein Kammerspiel, aber ohne dessen typische Tendenz Richtung Statik. Ein Kammerspiel vielmehr, das die Kammer, in der es spielt, nach und nach in ihre Einzelteile zerlegt.

Man beginnt zu begreifen: Die allzu freundliche Gesellschaft ist um ein Trauma versammelt, dessen Konturen sich erst nach und nach aus der Latenz ins Manifeste bewegen. Wie manifest und unaufgelöst das Verdrängte am Ende wiederkehren wird, das ahnt man trotz wachsender Beunruhigung nicht. So gewalttätig, explizit und brutal ist diese Wiederkehr, dass der Film selbst darüber umschlägt, vom Genre des psychologischen Thrillers mit seiner Andeutungslogik in das des Horrors, wenn nicht sogar Splatter, der alle inneren Konflikte ins Äußerste kehrt. Dieser Umschlag erfolgt unerwartet, und auch wieder nicht. Denn von Anfang an braut sich etwas zusammen. Ein Film wird gezeigt, alles andere als harmlos: Man sieht das Sterben einer Frau. Ein Guru tritt auf mit Sprüchen über Trauerarbeit. Nur spricht er zu sanft, nur ist alles zu friedlich. Wer das Schreckliche unterschätzt, so ungefähr die von „The Invitation“ gründlich erteilte Lektion, der wird von ihm umso grausamer überwältigt. Ekkehard Knörer

Die DVD ist ab rund 14 Euro erhältlich.