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Nachruf

Foto: dpa

Unter Musikern gibt es diesen uralten (und schwer chauvinistischen) Witz: Der Sänger bekommt immer die schönen Frauen. Der Gitarrist die anderen. Wer in einer Band an den Tasten saß, bekam von der Cool- und Sexiness grundsätzlich nichts ab.

Dann kam Keith Emerson und befreite die Musik ein bisschen mehr. Das war 1970, beim Festival auf der Isle of Wight. Zwischen Ten Years After und den Doors spielte diese neue Band: Emerson Lake and Palmer (ELP). Plötzlich bestaunten alle einen Keyboarder, der vier Hände zu haben schien.

Hammond, Moog-Synthesizer und Flügel stellte Emerson zu einer Burg zusammen, in der er mal hier-, mal dorthin griff. Die Band spielte Rock, aber auch ihre Version von Modest Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, Spätromantik mit E-Gitarre und verzerrter Orgel. Für die Archivare des Pop war der „Progressive Rock“ geboren. Emerson hatte in seiner Heimat, dem Kaff Todmorden in West Yorkshire, Klavier gelernt. Dann ging er, obwohl äußerst talentiert, nicht ans Konservatorium, sondern in Bands.

Ein Video zeigt ELP mit einer dramatischen Version von Dave Brubecks „Blue Rondo à la Turk“: Emerson wirft die Hammond-Orgel um, legt sich drunter, sticht mit einem Dolch hinein, springt auf die Orgel, reitet sie, und schafft es dabei, ein überwältigendes Solo zu spielen.

Als mit dem Pop der 80er ein neuer, kühler Männertyp kam, war die Ära Emersons vorbei. Er versuchte es mit neuen Bands, traf den Zeitgeist nie wieder. Zuletzt machte er als Keith Emerson Band wieder, was er liebte: emphatischen Rock, schnell gespielt, mit breiten Keyboardsounds. Nun rätselt die Welt, warum der Meister der Orgel und des Synthis sich am Freitag in seiner Wohnung in Santa Monica erschoss. Er wurde 71 Jahre alt. Thomas Lindemann

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