: DoReMiFaSoLaTiDaDa
Musik Dada und die Komponisten
Der Einfluss des Dadaismus auf die Popmusik gilt als ziemlich sicher. Hits wie Trios „Da Da Da“ (siehe nebenstehender Artikel und Text Seite 10) oder „De Do Do Do, De Da Da Da“ von The Police führen ihre Verweise deutlich im Titel, und Bandnamen wie Cabaret Voltaire wären ohne den Dadaismus gar nicht denkbar. Wie sah es aber in den Avantgardemusik-Kreisen der Dada-Zeitgenossen aus? Gab es da so etwas wie „dadaistische Musik“?
Abgesehen von den Lautgedichten Raoul Hausmanns oder Kurt Schwitters’sind aus dem engeren Dada-Zirkel kaum musikalische Beiträge überliefert. Bei den Dada-Soireen wurden ansonsten überwiegend Chansons gegeben, vieles war improvisiert. Doch es gab Ausnahmen. Den ukrainischen Komponisten Jefim Golyscheff etwa, der nicht nur zu den Pionieren der Zwölftonmusik zählt, sondern auch zu den Mitgründern des Berliner Dada. Seine „Anti-Symphonie“ wurde 1919 in Berlin aufgeführt, von dem Werk sind jedoch nur noch die Satztitel überliefert, darunter etwa „zusammenklappbares Hyper-Fis-chendur“, so der Literaturwissenschaftler Jan Roloff.
Einer der Komponisten, von dem Dada-inspirierte Werke überlebt haben, ist der Pianist Erwin Schulhoff. Der für radikale Ideen sehr offene Schulhoff – unter anderem hat er auch das „Kommunistische Manifest“ vertont – komponierte 1919 den Klavierzyklus „Fünf Pittoresken“. Darin verwendete er vorwiegend Jazz-Elemente wie Ragtime – Schulhoff war einer der ersten europäischen Komponisten, die den Jazz als Tonsprache ernst nahmen. Eines der Stücke des Zyklus jedoch, „In Futurum“, fiel in seiner (Anti)-Ästhetik deutlich aus dem Rahmen: Es bestand, lange vor John Cages Stille-Klassiker „4’33’’“, ausschließlich aus Pausen – schließlich sollte die bürgerliche Kunst im Dadaismus zertrümmert werden. Erwin Schulhoff schrieb, vom Geist des Dada angeregt, aber auch das Fagottsolo „Die Bassnachtigall“ und vertonte fünf Textcollagen aus Hans Arps Gedichtband „Die Wolkenpumpe“ zu einem kleinen Liederzyklus für Kammerbesetzung. Hier blieb die Tonkunst als bürgerliche Tonkunst weitgehend intakt.
Aus dem antibürgerlichen Impetus des Dadaismus hat Schulhoff später seine eigenen Konsequenzen gezogen. Er verabschiedete sich vollständig von der „formalistischen“ Avantgardemusik und wandte sich dem „Sozialistischen Realismus“ zu. Ästhetisch gesehen war das gegenüber Dada allemal ein Rückschritt. Tim Caspar Boehme
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