Radikale Weine von Rainer Schäfer:
Eigentlich wollten Elmar Koeller und Robert Boudier nach Wyoming in den USA auswandern, um dort eine Farm zu betreiben. Aber eines Abends verlor Koeller auf dem Weg von Mainz nach Karlsruhe die Orientierung. In der Dämmerung fuhr er plötzlich auf dieses Haus zu, das ihn sofort in den Bann zog: Massive Quader, von einer Mauer umgeben, spätklassizistischer Stil. Nur wenige Augenblicke starrte der Unternehmensberater auf das Pfarrhaus, aber er wusste sofort, dass er hier leben wollte.
Im August 2007 zogen Koeller und der Arzt Boudier nach Stetten am Donnersberg in der Nordpfalz. Das 600-Seelen-Dorf mit dem übersichtlichen Straßennetz liege in einem „vergessenen Tal“, sagt Koeller. Die Gegend wird gerne als Alaska der Pfalz bespöttelt, weil die Winde kälter pfeifen als in der mediterranen Südpfalz.
Dass ein schwules Paar es wagt, das katholische Pfarrhaus zu beziehen, das nahmen ihnen einige übel. 2009 pachteten die beiden einen kleinen Weinberg und begannen Wein zu erzeugen, für den Eigenverbrauch. „Wir haben uns völlig dämlich angestellt“, erzählt Koeller. Aber die Weine wurden von Jahr zu Jahr besser, inzwischen bewirtschaftet das Weingut Boudier & Koeller beinahe zehn Hektar Reben, es gilt als eine der interessantesten Neugründungen in der Pfalz.
Die Weine baut Kellermeister Jan Groß aus, der für „völlig bekloppt erklärt wurde“, weil er dafür einen krisensicheren Job in einem renommierten Riesling-Gut aufgab. Aber die Kalk- und Lössböden um Stetten erinnern ihn an die Côte d’Or: „Hier kann das Burgund der Pfalz entstehen“, sagt Groß. In der Rotweincuvée „Vergessenes Tal“ verbinden sich trefflich Spätburgunder, Malbec und Syrah, die in Barriques und 500-Liter-Fässern reiften. Sie vereinen im Mund gekonnt und delikat dunkle Waldbeeren, angenehme Gerbstoffe und einen feinnervigen Säurestrang. Wie gut, dass Elmar Koeller sich damals kurz verirrt hat.
Vergessenes Tal 2013, Weingut Boudier & Koeller, 13,80 Euro, Bezug über www.boudierkoeller.de
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