Boulevard der Besten: Michael Ringel
Es gab die „Wahrheit“, die Satireseite der taz, auch schon vor ihm – aber Jüngere glauben naturgemäß, dass die letzte Seite der taz ohne ihn gar nicht zu haben ist. Michael Ringel ist der Doyen dieser journalistischen Institution, die, so schrieb der hier Geehrte vor gut sechs Jahren in einem Jubiläumstext zur „Wahrheit“, die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung ist. Weltweit! Der in Moers 1961 geborene Mann, der seinen akademischen Schlusspunkt an der FU Berlin mit einer Arbeit über Arno Schmidt setzte, arbeitet seit sechzehn Jahren bei der taz.
Sein Credo, das für ihn für alle Satireformate gilt: „Warum sachlich, wenn es persönlich geht? / Warum recherchieren, wenn man schreiben kann? / Warum beweisen, wenn man behaupten kann?“, setzt er im Redaktionsalltag genial um. Von ihm oder unter seinem so freundlichen wie anregenden Dirigat entstanden sehr, sehr hübsche Satiren. Persönlich wie politisch. Beleidigt fühlten sich Leute, die zusammen eine feine Riege ergeben: Claudia Roth, die polnischen Kaczyński-Brüder (Stichwort „Kartoffel-Skandal“), Allah (weltweite Erregung) und Kai Diekmann.
Ringel verantwortete, mit „Wahrheit“-Kollegin Harriet Wolff und Fotoredakteurin Isabel Lott, die am 7. Januar erschienene Sonderausgabe der taz zum ersten Jahrestag des Attentats auf Charlie Hebdo. Satire, so Ringel, dürfe alles – nur nicht sich auf Kosten von Schwächeren belustigen oder diese der öffentlichen Vergackeierung aussetzen. Fragt sich nur bzw. das fragt er sich: Wer sind die Schwächeren? Sind es die Religionen und ihre Gläubigen? Ringel verneint einen Artenschutz zugunsten von Gottesleuten strikt – vielmehr sei gerade das Satirische von Charlie Hebdo wie auch die Publizistik der „Wahrheit“ eine Ehrenbezeugung für all jene, die dort verspottet werden.
Aber das verstehen Religiöse nun allermeist gar nicht. Menschen mit gläubig getränkten Gefühlen neigen ja sehr dazu, ihr Innerstes für heilig oder unantastbar zu halten. Das allerdings verfängt beim Kollegen Ringel nicht. Er schrieb 2008, und das gilt ihm bis heute: „Ihren Feinden zum Trotz wird die Wahrheit auch in Zukunft weiter auf der Suche sein nach der Antwort auf die biblische Frage: ‚Was ist Wahrheit?‘“
Und das wiederum freut (fast) alle (nicht nur) in der taz-Redaktion! Jan Feddersen
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