Kunst als Geschenk: Das Lebengarnieren
Hamburger Kunsträume
von Hajo Schiff
In Deutschland wurden jetzt rund 80 Milliarden Euro für Weihnachtsgeschenke ausgegeben. Von der Summe will natürlich auch die Kunst einen Teil haben. Und so machen sich Kunst- und Kulturgeschichte als Ideengeber für Mitbringsel nützlich: Es finden sich mythische Osterinsel-Skulpturen verkleinert als Brillenhalter, die schmelzende Dali-Uhr ist für das Handgelenk zu kaufen und wer es mehr festtagstypisch haben will, kriegt Designer-Krippenfiguren.
Längst sind es nicht obskure Schnick-Schnack-Läden, in denen solche Späßchen zu erhalten sind, sondern vor allem die Shops der großen Museen selbst. Denn die sollen ja möglichst viel Geld verdienen. Kataloge sind leider meist ein Zuschuss-Geschäft, aber die im Hause befindlichen Bilder in allen witzigen und manchmal irrwitzigen Ausschnitten und Techniken zu zitieren, ist finanziell erfolgreich. Das dient nicht nur der Erinnerung an die Schätze der jeweiligen Sammlung, es popularisiert die Motive der Hochkunst und hält sie selbst in ironischen Verfremdungen im allgemeinen Bild-Gedächtnis.
Und so produziert eine ganze Branche Sachen wie Magnettäfelchen für die Kühlschranktür mit Motiven von Hungerkünstlern wie van Gogh oder macht Botticellis als fürstliches Kabinettstück gemalte Venus zum Zahnputzbecher. Viele tausend Jahre alte Löwen dienen als Frühstücksbrettchen und Max Liebermanns sonniges Bild vom Biergarten des Restaurants Jakob in Nienstedten wird zum Tablett mit den dazu passenden Servietten und darf dann Stil zum Astra auf dem Balkon bringen. Im Büro bietet sich Nofretete als Briefbeschwerer an und im Kinderzimmer sorgt eine Aufblaspuppe nach dem Schrei von Munch für kultivierten Grusel.
Solche Zitate garnieren trefflich das Leben. Doch es ist für diese Rubrik nicht überraschend, dass ich stattdessen nachdrücklich den Kauf von echten Arbeiten junger Künstler empfehle. Und wenn es doch die weltberühmten Originale sein sollen, muss man für heutige Auktionspreise schnell noch irgendwie Multimillionär werden, vielleicht hilfsweise die hochpotenten Kunstfälscher unterstützen oder sich mit diesem originellen Fundstück aus der Hamburger Kunsthalle zufrieden geben: „Berühmte Kunstraube“, Kartenspiel, 9,90 Euro. Ich wünsche Ihnen viele pädagogisch wertvolle Geschenke, frohe Festtage und viel Spaß mit der Kunst im Neuen Jahr!
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