Der Mann, der Roboter so intelligent wie Menschen macht, hat eine Bitte an uns: Denken Sie jetzt nicht an Science Fiction!
Nullen und Einsen
von Meike Laaff
Ertappt. Da stehe ich, eng an eng mit lauter Anzugmenschen, und denke an Science Fiction.
Alles andere wäre auch ziemlich schwierig, wenn man im Cern-Hauptquartier ist und ein paar Meter vor einem ein kleiner Mann steht, der seine Firma gern mit dem Apollo-Projekt vergleicht und verkündet, Ziel seiner Unternehmungen sei es, „Intelligenz zu lösen“. DeepMind heißt die Firma von Demis Hassabis, sie ist eine der vielversprechendsten Entwicklungsstätten für Künstliche Intelligenz (KI), seit vergangenem Jahr gehört sie Google.
Kassabis’ DeepMind-Maschinen haben bereits demonstriert, wie sie sich selbst beibringen, Computerspiele zu zocken. Ohne Anleitung von Menschen – und oft besser als menschliche Herausforderer. Wozu ihr Chef gegenüber dem britischen Guardian nur trocken vermerkte, es sei im Grunde egal, ob seine Algorithmen mit Games oder mit Handelsdaten agierten.
Über Einsatzmöglichkeiten seiner Maschinen in der Gesundheitsbranche spricht Hassabis bei seinem Auftritt, darüber, wie Künstliche Intelligenz uns helfen kann, auch das menschliche Gehirn besser zu verstehen. Und mahnt jetzt – auf einer kleinen Bühne ein paar Meter vor all diesen Forschern und anderen beanzugten Konferenzteilnehmern – dennoch die Presse, sich nicht in SciFi-Visionen zu verlieren, wenn es um Künstliche Intelligenz geht. Und fixiert mich dabei auch noch ein bisschen vorwurfsvoll. Was kein Kunststück ist: Außer Pressefuzzis ist ja auch niemand so bekloppt, bei einer solchen Veranstaltung mitzuschreiben. Im Stehen. Mit Kugelschreiber auf Papier. Im Jahr 2015.
Schon klar, dass Demis Hassabis genervt ist. Statt das Potenzial von Künstlicher Intelligenz zu preisen, kommen immer wieder diese Leute, die einmal „Ex Machina“ im Kino gesehen, irgendeinen Suarez, Gibson oder Dick gelesen haben, und tragen ihm noch einmal die dort entwickelten Dystopien vor. Horror und Gomorrha vor der Künstlichen Intelligenz. Ohne das Potenzial zu sehen.
Aber: Woran als an Science Fiction soll man den sonst denken, wenn verhandelt wird, ob es möglich ist, dass Maschinen nicht nur Pixel für Pixel lernen, sondern tatsächlich ein semantisches Verständnis entwickeln? Oder wie man sicherstellt, dass diese Algorithmen nur innerhalb der von Menschen definierten Ziele operieren – und nicht darüber hinausgehen?
Wahrscheinlich wird der Klimawandel sie noch weit überholen, die Entwicklung einer Artificial General Intelligence – also einer Künstlichen Intelligenz, die jede Aufgabe lösen kann, zu der auch Menschen fähig sind. Trotzdem lohnt es, mit Hilfe von Science Fiction mal ein wenig herumzuspinnen. Nicht, um zu wissen, was sein kann. Skynet gibt es noch nicht, HAL 9000 auch nicht, stattdessen jede Menge Unintelligenz, die mitunter ziemlich viel Quatsch macht mit den Daten über uns, die wir ihr bereitwillig überhelfen.
Science Fiction taugt viel besser, um zu verstehen, was heute bereits alles da ist. Einordnen zu können, Bilder zu finden. Das mag Leute wie Hassabis nerven. Aufhören sollte man damit aber sicher nicht.
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