Aufmarsch der Pöbelperser

Die Wünsche des iranischen Präsidenten nach Vernichtung Israels haben auch Solidarität mit dem jüdischen Staat bewirkt – vor allem aber Grübeln über die erstaunliche Popularität der Hassrhetorik

von JAN FEDDERSEN

Man sieht immer nur, was man sehen will – das ist ein menschliches Gesetz, eine anthropologische Konstante. Erkannt wird nur, was identifiziert werden soll. Wer noch Zweifel hatte, von welcher Staatsräson seit der religionsfaschistischen Machtübernahme Ajatollah Chomeinis der Iran gebündelt wird, ward Ende voriger Woche vom jüngst erst gewählten Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad deutlich belehrt. Fernsehbilder von der Konferenz „Freiheit für Jerusalem“ belehrten (auch deutsche) Beschwichtiger der Natur islamofundamentaler Gesinnung eines Besseren.

Israel soll von der Landkarte verschwinden, erklärte der Präsident, um im gleichen Atemzug den Verdacht von sich zu weisen, seine Stimme sei die eines Einzelnen: Er artikuliere sich nur als ein Tropfen im Meer der islamischen Mission. Wer da noch zweifelte, sah weitere Bilder aus Teheran: Hunderttausende, die wütend, ja fast orgiastisch gestimmt dem jüdischen Staat das Verderben wünschten. Dünne Männer, die stolz einen Zug von Selbstmordattentätern darstellten; Kinder außerdem, die antiisraelischen Hass skandierten, wie einst Hitlerjungs vor Geschäften jüdischer Deutscher die Gesänge der Weisen von Zion anstimmten.

Die Sphären der iranischen Realpolitik hat die Worte des Staatspräsidenten längst in Relation gestellt. Man solle seine Worte nicht so ernst nehmen, friedliche Absichten seien hinter den Teheraner Absichten verborgen. Nun, der öffentlich durch keine Gegendemonstration bestrittene Wunsch, Israel von der Landkarte zu löschen, kann nur durch Absichten, die vollständig kriegerisch sind, befriedigt werden. Aber der erfahrene Zeitungsleser weiß, dass diese Suppe heutzutage nicht mehr so heiß gegessen wird, wie deren Köche sie auf den Herd möchten. Israel hat Atomwaffen und die USA ohnehin ja auch: gut so, dass sie Abschreckung bewirken.

Was aber eigentlich an den Bildern aus Teheran (wie solchen aus dem Gaza-Streifen und Westjordanland) verstört, ist der Umstand, dass unser – deutsches, mitteleuropäisches, sagen wir: westliches – Sensorium für Hasserfülltes verkümmert scheint. Für Gesten der pathetischen Wut, der eruptiven Zurschaustellung von negativen Gefühlsmustern. Mit Hass ist kein politisches Konzept zur Mehrheit zu verhelfen – auch dies ist in Deutschland eine Frucht des Lernens aus der Nazizeit. Hass ist die Geste der Ausgrenzung; Integration lebt hingegen von psychischen Aufwänden, die in mittleren Temperaturen verharrt. Hass setzt auf Reinheit und die Erklärung des Anderen zum Feind.

So gesehen wird auch erklärlich, weshalb die NPD (oder DVU oder andere Formationen, die sie zu beerben wünschen) kein Bein auf den Boden der bundesdeutschen Tatsachen kriegt: Das, was sie sagen, klingt verstrahlt, gestrig, blöde, hasserfüllt, dumm und ausgrenzend. Sie grölen und deklamieren wie auf einem Misthaufen, auf dem sie selbst den Gockel zu geben beanspruchen – und sehen doch nur aus wie gerupfte Hähnchen ohne Fleisch unter den Federn. Wer sich als Hassender äußert, hat, nach zivilisierter Logik, schon verloren. Wer sich den Tod von irgendwem oder irgendwas (den Volksfeinden, Israel, dem Imperialismus) auf die Fahne schreibt, will nicht gehört werden, denn diese Rhetorik lebt von Selbsterhöhung, die dem Publikum, fast welchem auch immer, peinlich ist.

Ohne Friedensbekundungen, die an die Adresse Israels (Amerikas, der westlichen Welt) versandt werden, ist dem Iran, ökonomisch, kulturell, zivilisatorisch, nicht geholfen. Auch den anderen muslimisch Ländern nicht. Sie werden wissen, was sie davon haben. Oder auch nicht.