piwik no script img

"Da fallen alle Hemmungen"

HETZE Fabian Jellonnek informiert über die Folgen von Internet-Hass und wirksame Gegenstrategien

Fabian Jellonnek

30,Politikwissenschaftler und Mitarbeiter des mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus der Landeskoordinierungsstelle „pro aktiv gegen Rechts“.

taz: Herr Jellonnek, wie sicher ist es, dass Sätze zu Brandsätzen werden?

Fabian Jellonnek: Es gibt viele deutliche Hinweise darauf. Zum einen sind aus solchen Social Media-Netzwerken heraus selbsternannte „Bürgerwehren“ entstanden. Andererseits lässt sich beobachten, dass die Hetze in den Internetforen und Facebook-Gruppen zunimmt…

Könnte dieser Hassdiskurs nicht bloße Ventilfunktion haben?

Dagegen spricht, dass er dazu neigt, sich zu verstärken, statt sich zu beruhigen. Da fallen alle Hemmungen.

Das schaukelt sich hoch?

In diesen Gruppen treffen Gleichgesinnte aufeinander. Das begünstigt die oft vorherrschende Überzeugung, man spreche eine unterdrückte Mehrheitsmeinung aus.

Das heißt, man sollte einfach argumentativ gegen halten?

Allgemein wird zu Counter­speech aufgerufen. Das ist aber nicht so leicht: Wer mit unliebsamen Postings auffällt, fliegt ja schnell aus solchen Gruppen raus, oder gerät selbst in den Fokus. Man sollte da also schon sehen, dass man sich mit anderen abspricht und mit mehreren der Hassstimmung entgegentritt. Eine andere Möglichkeit ist, eine Gegengruppe zu gründen, wobei eine Justiz natürlich nicht hilfreich ist, die Menschen belangt, weil sie andere als rechts bezeichnen, während sie angesichts übelster Hetze in anderen Foren untätig bleibt.

Ist das in Bremen so?

Ja. Dafür muss man sich nur die mit vielen Bremer Akteuren besetzte Schwanewede-Gruppe mal näher anschauen. Wenn sich eines von deren Mitgliedern einen extrem kalten Winter wünscht, damit, ich zitiere: „das Ungeziefer“ in den Zelten erfriere, dann ist hier die Grenze zur Menschenverachtung lange überschritten.

Wäre da nicht Facebook als Betreiber in der Pflicht?

Schwierig. Die verstecken sich in solchen Fällen gerne hinter US-amerikanischer Rechtsprechung. Allerdings gibt es noch davor eine Administratorenhaftung: Wer eine Gruppe verwaltet, kann verantwortlich gemacht werden, wenn er strafrechtlich relevante Inhalte trotz Kenntnisnahme nicht löscht.

INTERVIEW: bes

Vortrag „Wenn Sätze zu Brandsätzen werden“: 18.30 Uhr, Jugendzentrum Findorff

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen