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Folk, Volk und Büdchen

Elektronik Der ägyptische Musiker Maurice Louca spielte mit seinem Trio im Stadtgarten in Köln

Wunderbar wicked: Maurice Louca Foto: C.Nexmark

Köln ist die deutsche Hauptstadt des Cornering. Die komplette Rheinmetropole erscheint einem wie ein einziges „Büdchen“, in dem seine Bewohner mit Kölsch-Flaschen auf den Gehwegen und Plätzen wie dem Brüsseler Platz vergnügt trinken, klönen und sich die neuesten Hits und Gags auf dem Smartphone vorspielen. Die rheinische Frohnatur gibt sich selbst einen aus.

Vielleicht ist dies ein Grund dafür, dass am vergangenen Freitag an einem lauschigen Spätsommerabend beim Konzert des Electro-Dub-Musikers Maurice Louca, begleitet von dem Schlagzeuger Thomasso Capellato und dem herausragenden Bassisten Bashar Farran, im Stadtgarten in Köln kaum einen Menschenseele anzutreffen war.

Daran ändert auch der Sachverhalt nichts, dass vorher der Minimal-Musiker Stefan Schwander – in den 90er Jahren noch als Antonelli Electr. unterwegs – an diesem Abend als Harmonious Thelonious ein Click für Click geschmackvolles wie abstraktes, von Afro-, House- und Funkpatterns inspiriertes Kopfclubkino im Vorprogramm bestritt. Warum auch?! Dieser Künstler stammt schließlich aus Düsseldorf!

Maurice Louca wurde in Kairo geboren und hat mit seinem im vergangenen Winter veröffentlichten Album „Salute The Parrot“ für eine gewisse Aufmerksamkeit in gut informierten Kreisen zwischen Club-Transmediale-Akkreditierten und Wire-Abonnenten gesorgt: Electro-Dub mit Nebelschwaden und Elementen aus der ägyptischen Shaabi-Musik. Schon auf dem Album deutete sich teilweise an, was sich da gerade Großes zusammenbraut.

Trotzdem standen die wenigen Eingeweihten beim Konzert weitestgehend mit offenen Mündern da, während ihre Hüften in einer abstrakten Soundwolke zwischen Bill Laswells Material-World, On-U-Sound, Flying Lotus und ägyptischer Hochzeitsfolklore kreisten, ohne dass man auch nur die geringste Idee hatte, welchen Schritt man bei diesen Synkopen vor welchen setzen sollte.

Shaabi bedeutet in etwa „für das Volk“ und vereint verschiedene folkloristische Strömungen, zum Beispiel den Fellahi („der Tanz der Bauern“) oder auch Beduinentanzmusiken.

Folkloristischer Clash

Kairo gilt als der Schmelztiegel für diesen folkloristischen Clash, der nicht selten sozialkritische Inhalte transportiert. Was Maurice Louca an diesem Abend allerdings live mit diesen Elementen veranstaltete, war wirklich wunderbar ­wicked! Er zerhackte und verdubbte die musikalischen Zutaten und veränderte mithilfe eines Keyboards die Tonhöhe seiner Samples.

Bassist Bashar Farran folgte jedem Tonwechsel virtuos auf seinem sechssaitigen Bass, und die Assoziationen oszillierten beim Zuhören von Frank Zappas Kooperation mit George Duke bis hin zu King Tubby oder dem Warp-Musik-Backkatalog.

Am 4. Oktober spielt dieses gewaltige Trio noch einmal in Dortmund. Ende des Monats erscheint unter dem Projektnamen „Alif“ ein neues Album mit Maurice Louca, auf dem arabische Poesie vertont sein wird. Auch Bashar Farran wird wieder mit von der Partie sein.

Damit sollten sie aber beim nächsten Köln-Besuch vielleicht lieber gleich im nächstbesten Büdchen auftreten: vom arabischen fürs Kölner Volk!

Maurice Summen

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