: Mit den Augen der Pädagogen
GEWALT Eine Studie zur Gewaltprävention bei Kindern zeigt vor allem Vorurteile von Lehrern
Die Studie zum Thema Gewaltprävention soll ein Einblick in die Praxis aus Sicht der Praktiker sein – so beschreibt sie Michael Kohlstruck, der Leiter der Arbeitsstelle Jugendgewalt an der TU Berlin. Der Bericht „Praxis von Vorurteils- und Gewaltprävention in zwei Berliner Quartieren“ wurde im Auftrag der Landeskommission gegen Gewalt von der Arbeitsstelle Jugendgewalt und Rechtsextremismus des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU erstellt und am Dienstag präsentiert.
Sinn der Studie ist laut der Kommission die Entwicklung von Strategien, um Gewalt zu verhindern. Befragt wurden dazu 13 Grundschullehrkräfte, 10 ErzieherInnen und SozialpädagogInnen sowie 4 SchulleiterInnen aus West-Moabit und dem Falkenhagener Feld in Spandau. Gefördert wurde die Befragung von der Kommission mit 14.000 Euro.
„Körperliche Züchtigung“
Doch der Bericht belegt vor allem eins: mit wie vielen Vorbehalten und Vorurteilen Lehrkräfte selbst Kindern – vor allem aus Einwandererfamilien – begegnen. Viele Kinder seien an „körperliche Züchtigung“ aus ihren Elternhäusern so gewohnt, „dass sie die gewaltfreien Erziehungsmethoden in der Schule nicht immer verstehen“, heißt es da etwa. Vor allem „männlichen Kindern aus dem arabischen und türkischen Kulturkreis“ bescheinigen die befragten Grundschullehrkräfte Eigenschaften wie Hemmungslosigkeit, „eine gewisse Gefühlsverrohung“ oder auch „ein überhöhtes Selbstbewusstsein“.
Im Dunkeln bleibt dabei, wie viele der Befragten welche Aussagen machten. Ein Gesprächsleitfaden oder gar Fragebogen der geführten Interviews fehlt in dem umfangreichen Anhang des 132 Seiten langen Forschungsberichts. Auch wie viele der insgesamt vier in die Untersuchung einbezogenen Grundschulen welche der im Bericht auch beschriebenen Präventionsmaßnahmen mit welcher Intensität umsetzen, bleibt unklar.
Der Bericht sei „eine Ansammlung von hochgradig plakativen Aussagen, von der ich mich frage, welchem Zweck das dienen soll“, sagte Elvira Berndt vom Straßensozialarbeitsträger Gangway, die bei der Vorstellung der Studie am Dienstagabend zur Diskussion geladen war. In dem Bericht stünden „wie so oft Defizite im Vordergrund. So kommen wir nicht weiter“.
Der Bericht biete eben „einen Einblick in die Praxis“ ohne den Anspruch einer „vollständigen Darstellung“, sagt dagegen Mitautor Kohlstruck. Sinnvoll findet Kohlstruck das Ergebnis dennoch, denn: „Wir beschreiben die Kinder mit den Augen der Pädagogen.“ ALKE WIERTH
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