Kommentar: Lena Kaiserüber die Abschiedstour des Sozialsenators: Wie es alte Männer tun
Der Sozialsenator ist auf einer Art Abschiedstour. In den Hamburger Redaktionen bekam Detlef Scheele (SPD), so konnte man den Eindruck gewinnen, noch einmal großzügig Gelegenheit, uns, kurz vor seinem Abgang nach Nürnberg reinen Wein einzuschenken: In Mopo und Welt stellte er in Aussicht, dass die Sozialbehörde "größere Flächen am Stadtrand" sucht, "um dort Einrichtungen für bis zu 3.000 Menschen zu bauen".
Und beim Besuch einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge räumte Scheele ein, dass die Unterbringung der 130 Kinder in Zehnbettzimmern "totaler Mist und auf Dauer nicht vertretbar" sei. Was sagt uns diese späte Erkenntnis?
Vielleicht, dass Scheele nun, am Ende seiner Amtszeit, nichts mehr zu verlieren hat. So kann er mit offenen Karten spielen und freizügig einräumen, dass nicht irgendwelche ominösen Zustände an der Misere schuld sind. Ja: Als zuständiger Behördenchef nennt er genau genommen das Ergebnis seines eigenen Tuns – "totalen Mist".
Es gehört schon eine gehörige Portion Dreistigkeit dazu, sich wie Scheele auf den letzten Metern hinzustellen und zu sagen: Tut mir leid Leute, wir kriegen hier keine bessere Unterbringung von Flüchtlingen hin, weil wir von der Realität überrollt wurden. So hat Scheele, der Technokrat, der sich gerne auf Vorschriften beruft, das nicht gesagt. Nein, seine Worte klingen so: "Wir stehen mit dem Rücken zur Wand."
Politikertypen wie Scheele wird gerne zugute gehalten, sie seien ehrlich, immerhin. Ein beliebtes aber – mit Verlaub – auch borniertes Argument, solange man Politik am Handeln bemisst. Scheeles Geste erinnert an jene alter amerikanischer Männer, die einmal dick im Börsengeschäft abkassiert haben, um dann vom bequemen Altersitz mit Meerblick aus, ganz zurückgelehnt das Business in Frage zu stellen, das ihnen den Wohlstand beschert hat. Um das Gewissen von der Schuld zu befreien, ganz wie bei der Beichte.
In den Ruhestand geht Scheele nicht. Leider. Der Mann, der einmal von sich gesagt haben soll, er sehe sich eher als Sozial- denn als Arbeitssenator, wird Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Zumindest für Hamburg ist das keine schlechte Nachricht.
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