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Zu Besuch auf einer Roma-VerlobungEin ganzes Viertel feiert

Monatelang haben Marcels Eltern auf seine Verlobung gespart. Unsere Autorin hat das Verlobungsfest im rumänischen Craiova besucht.

Die Patin bringt dem Brautpaar das Hochzeitsbrot. Foto: Miguel Lopes

Der Tag der Verlobung ist da. Puiu Bălteanus Sohn und Matei Luscas Tochter sollen ein Paar werden. Zweihundert Gäste, vielleicht mehr, versperren die Straße am Rand von Craiova. Im Süden Rumäniens liegt die Stadt. Die Männer bilden einen Kreis, einige mit Bier in der Hand. In ihrer Mitte tanzen die Frauen, jede mit einer roten Rose im Haar.

Die Tanzschritte sind simpel: einmal rechts, einmal links. Wird die Musik schneller, werden die Schritte schneller. Freudenausbrüche. Lachen, Klatschen. „Jujuju.“

Immer wieder wirbeln die Frauen beim Tanzen den Straßenstaub auf. Dann wischen sich die Tanzenden mit den Händen übers Gesicht. Kinder rennen umher, spielen, schreien. Kleine Mädchen stecken in Abendkleidern, auch sie geschminkt. Eine alte, dicke, rauchende Frau, den Kopf bedeckt, verkauft Bonbons und rot karamellisierte Äpfel für 1 Leu und 30 Cent.

Das Viertel, in dem die Verlobung stattfindet, heißt Romaneşti. Roma wohnen hier. Kleine Backsteinhäuser, manchmal auch größere, mehrstöckige reihen sich entlang der lehmigen Straße.

Die Musik ist laut, von Weitem zu hören. Zehn Verstärker sind um ein Podest gestellt, auf dem Marian Universalu tanzt und singt. Er ist einer der besten Unterhalter aus Craiova, der oft bei Roma-Hochzeiten aufspielt. 2.500 Euro hat der Vater des Bräutigams dem Mann dafür bezahlt. Marian Universalu unterbricht ab und zu seinen Gesang, um Widmungen vorzutragen. „Lang lebe das Brautpaar!“ „Ein Hoch auf Puiu, den großen Schwiegervater!“ „Die Schönheit der Schwiegermutter überstrahlt alles. Sie hat nicht umsonst gewartet“. Wer eine Widmung anbringen will, muss dem Sänger extra Geld geben.

Im Autokorso, jede Karosse mit Blumen geschmückt, sind Puiu, seine Frau Marinela und Marcel, ihr ältester Sohn, sowie die Verwandten frühmorgens aus Băileşti, einer Nachbarstadt, zum Haus der Braut gekommen. Siebzig Kilometer die Strecke. Eine Stunde dauerte die Fahrt.

Jetzt ist schon Mittag. Die Sonne treibt Schweiß auf die Haut der tanzenden Frauen. Sie bewegen ihre Arme nach oben, nach unten – sie zeigen dabei immer wieder auf Raluca, die Braut, in ihrem üppigen, weißen Kleid, die in der Mitte des Kreises steht. Sie ist 16 Jahre alt, ihre Haare sind blond gefärbt, lang und wellig reichen sie über die Schulter; eine Krone mit Brillanten steckt auf ihrem Kopf. Ihr unbewegtes Gesicht leuchtet in der Sonne. Sie spricht nicht. Sie tanzt kaum. Sie lächelt nicht. Eine Statue. Madonna.

Das alte Backsteinhaus, in dem die Braut aufgewachsen ist, ist gelb gekalkt. Es hat zwei Zimmer. Dort lebte Raluca bis jetzt mit Mutter, Schwester, Großmutter und mit dem Bruder samt dessen Familie. Ihr Vater ist lange tot.

Im Hof steht ein Tisch

Im Hof steht ein Tisch mit einer Bank. Ein Mann schenkt Fassbier aus. Die wenigen Gläser werden gesammelt, in einem Wasserkessel gespült und neu verwendet. Essen wird nicht aufgetischt.

Mitunter laufen Hühner gackernd über den Hof. Die Großmutter jagt sie zurück in den Stall. Die über 80 Jahre alte Frau passt auch auf, dass der Wind das Tischtuch nicht wegweht. Sie legt winzige Steine, die sie im Hof findet, darauf. Dann verschwindet sie im Haus und stellt sich hinter die weiße Gardine, die an der Eingangstür hängt. Nach kurzer Zeit kommt sie wieder heraus, um die Hühner erneut zu verscheuchen.

Ein Lattenzaun begrenzt den kleinen Hof; der Gartenflieder, der am Zaun wächst, duftet.

Marcel, der Bräutigam, ist 17 Jahre alt. Er war schon einmal verheiratet, die Frau ist aber zu einem anderen Mann gegangen. Nun verlobt er sich wieder mit einer Jungfrau. Er trägt schwarze Hosen, schwarz lackierte Schuhe, ein dunkelrotes Hemd und einen Blazer in derselben Farbe. Die Frauen haben ihm eine große, weiße Rose ans Revers geheftet, und sein Pate hat ihm zwei Hundert-Lei-Scheine ans rote Jackett gesteckt. Manchmal tanzt er neben Raluca, manchmal sitzt er bei den Männern, manchmal tanzt er einen Männertanz mit sehr schnellen und hüpfenden Schritten. Er lacht.

Die Patin des Paares ist dick. Trotzdem ist sie wendig, springt dahin, dorthin, ist überall. Sie trägt ein glänzendes Kleid und auf dem Kopf eine Krone; in den roten Haaren steckt die Rose.

Der Pate wiederum, zu erkennen an seinem rot-weiß-schwarzen Schal, ist schlank. Er tanzt und klatscht im Rhythmus der Musik in die Hände. Paten sind die geistigen Eltern des Paares. Darauf angesprochen, warum seine Rolle so wichtig ist, zuckt der Pate jedoch mit den Schultern. Er vermutet, es habe mit der Jungfräulichkeit der Braut zu tun, und er stehe dafür, dass es so ist.

Der Tanz stoppt

Der Tanz stoppt. In die Mitte der Menge wird ein Tisch gestellt. Die Paten und das Brautpaar steigen darauf. Der Patin wird ein großes rundes Brot gegeben. Sie hält es über die Braut, und fährt dreimal damit um Ralucas Kopf. Dann zerrupft sie es und wirft die Teile in die Menge. Alle heben die Hände, um ein Stückchen Brot aufzufangen. „Wer davon isst, hat Glück für den Rest des Jahres“, erzählt eine Frau. Der Pate hat eine Flasche Sekt in der Hand, die er schüttelt, öffnet und in die Menge spritzt. Dann schenkt er Raluca und Marcel ein Glas davon ein. Sie trinken.

Neben den Paten gelten Puiu, 34 Jahre, und Marinela, zwei Jahre jünger, als wichtige Akteure. Sie heißen: die „großen“ Schwiegereltern – groß, weil sie die Eltern des Bräutigams sind. Ihre Freude ist riesig, denn Marcel ist ihr einziger Sohn. Ihre Schwiegertochter wird sich um sie kümmern, wenn sie alt sind.

Auf diese Verlobung haben Puiu und Marinela, die Brauteltern, lange gewartet. In Berlin haben sie über Monate hinweg in Abbruchhäusern, die sie „verlassene Orte“ nennen, gelebt und Obdachlosenzeitungen verkauft, um Geld zu verdienen. Sie haben es gespart, damit sie die Braut für ihren Sohn bezahlen können. „So ist unsere Tradition, die Frauen werden bezahlt“, sagt Puiu.

Weil der Vater von Raluca tot ist, haben Puiu und Marinela mit Ralucas Bruder und ihrer Mutter gesprochen, die dafür, dass sie das Mädchen großgezogen hat, 10.000 Euro verlangte. „Insgesamt habe ich 15.000 Euro für diese Verlobung ausgegeben. Ich habe mich bis über den Kopf verschuldet. Hauptsache, die Braut ist gut und brav“, sagt Puiu. Ihm gefällt sie nicht so. Sie sei zu dünn. Sie esse kaum. Er denkt, sie könnte krank sein.

Marcel ist auch nicht begeistert

Marcel ist auch nicht besonders begeistert. Er denkt immer noch an seine erste Frau. Aber Marinela ist tief zufrieden mit der Schwiegertochter. Sie gehorche ihr: „Sie ist brav und gut“, sagt Marinela. Nach der Verlobung will Puiu mit der Familie wieder zurück nach Berlin, um zu betteln und zu arbeiten, damit er die Schulden zurückzahlen kann.

Ralucas Mutter Lucsa ist älter, über 40, genau weiß sie es nicht. Sie trägt ein weißes, mit Blumen bedrucktes Kopftuch, einen einfachen Pullover und einen langen Rock. Sie lächelt nicht, sie schreit nicht, sie tanzt. Keiner hat ihr eine Widmung geschenkt. Wohl aber dem „kleinen“ Schwiegervater, Ralucas Bruder. Wenn er hört, wie er über das Mikrofon in seiner Rolle angesprochen wird, steigen ihm Tränen in die Augen.

Puiu sagt, Ralucas Bruder hätte viel zu viel für die Schwester verlangt, angesichts dessen, dass sie aus einer sehr armen Familie komme, aber Marinela wollte das Mädchen, und so haben sie sich doch geeinigt.

Es ist bereits später Nachmittag. Die Braut an der Hand einer Verwandten und der Bräutigam machen sich auf den Weg zum Haus eines Schwagers von Puiu. Raluca läuft schnell. Marcel macht große Schritte, um hinterherzukommen. Dem Brautpaar folgen alle Frauen. Die Männer dürfen nicht mit. Sie bleiben bei der Band und warten, bis die Frauen zurückkehren.

Der Hof des Schwagers ist größer; eine Kutsche steht am Rand, Pferde sind nicht zu sehen. Das Haus ist nicht so ärmlich. Es gibt ein Schlafzimmer, wo Raluca und Marcel jetzt miteinander schlafen sollen.

Für Raluca ist es das erste Mal

Für Raluca ist es das erste Mal. Sie lächelt nicht, sie weint nicht. Sie zittert nicht. Marcel verzieht ebenfalls keine Mine. Sie verschwinden hinter der Tür. Die beiden kennen sich kaum. Sie haben fast kein Wort miteinander gesprochen.

Mit dem Brautpaar treten die Patin, Marinela und weitere Frauen ein. Sie müssen die Braut ausziehen und sie für den Bräutigam zurechtmachen. Dabei wird Raluca ein weißes Nachthemd übergezogen.

Draußen, neben der Tür bleibt Ralucas Mutter. Sie schaut zu Boden, hört sich an, was die anderen Frauen sagen. Ein Kanne mit frischem Wasser wird auf einen kleinen Tisch in der Mitte gestellt. Einige trinken, andere zünden sich Zigaretten an. Sie fangen an zu erzählen, wie es für sie das erste Mal war. Witze werden gemacht, es wird gelacht und durcheinander geredet, es wird lauter und lauter.

„Eine Stunde ist vergangen, und sie sind noch nicht fertig“, schreit eine. Eine andere erklärt, was die Frau machen sollte, um es schneller voranzubringen. Eine macht sich über den Bräutigam lustig: „Vielleicht ist er eingeschlafen.“

Der Pate kommt vorbei, etwas beunruhigt, weil es so lange dauert: „Das arme Paar wird nie fertig, wenn ihr hier so laut quatscht“, schreit er. Er will ins Haus, um zu sehen, was los ist. „Fast zwei Stunden sind vergangen. Das kann nicht sein“ sagt er, geht rein, wird aber gleich wieder weggeschickt.

Einige Frauen gehen auf die Straße und kaufen sich an einem Kiosk Kaffee und Eis. Einige bleiben im Hof. Es ist leiser geworden. Eine Weile. „Wir wollen das so“, sagt eine der jungen Frauen.

Plötzlich Geschrei

Plötzlich ist Geschrei zu hören. Eine fragt, was dies zu bedeuten habe. „Die Braut, vielleicht weint sie“, antwortet eine andere. Das Geschrei wird noch lauter, und die Patin tritt aus dem Haus, in der Hand das Nachthemd. Sie hebt es hoch. Darauf sind rote Flecken zu sehen. Auch die anderen Frauen, die im Haus waren, kommen raus. Alle schreien und lachen. Die Mutter von Puiu wiederholt ein paarmal: „So ist unsere Tradition. So ist unsere Tradition.“ Auf der Straße schenkt sie den Frauen Sauerkirschlikör in Schnapsgläsern aus. Alle trinken und warten, bis das Brautpaar kommt. Zuerst tritt Marcel auf den Hof, dann Raluca. Er lacht, Raluca arrangiert ihre Haare, ihren Rock. Sie lacht nicht, sie lässt ihre Lider sinken.

Tanzend ziehen die Frauen wieder die Straße hoch zum Fest. Vorne geht Raluca. Beim Gehen hält sie ihren Rock an den Seiten mit beiden Händen. Auf dem Rock steckt jetzt eine große rote Blume. Sie guckt auf ihre Schritte. Neben ihr tanzt die Patin, das Nachthemd schwenkt sie über ihrem Kopf. Marcel folgt der Schar auf dem Bürgersteig. Neben ihm andere junge Männer. Sie stellen Fragen, wie es war. Marcel antwortet nicht, er lächelt.

Zurück bei Ralucas Haus, stimmt der Sänger, ein neues Lied an: „Hoch, Braut, Hoch! Weil du uns nicht lächerlich gemacht hast!“ Männer und Frauen geben sich die Hände und tanzen nun gemeinsam. Hinter dem Brautpaar tanzt Marinela. In einer Hand hat sie eine Flasche Campari. In der anderen hält sie den spitz zulaufenden Saum von Marcels Blazer und Ralucas weißen Rock. Dann knotet sie beides zusammen.

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10 Kommentare

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  • Bestätigung von Ressentiments? Positionierung? Sprachstil?

    Der Artikel wurde nicht in irgendeinem Medium veröffentlicht, sondern in der taz, – was eine einigermaßen kritische Leserschaft voraussetzt. Die Entscheidung der Autorin, alleine beobachtend und beschreibend zu bleiben – und dabei auf Vermittlung zu setzen – , ist zu honorieren und nicht zu kritisieren. So auch ihre Haltung das Geschilderte nicht zu werten und auch keine kritischen Sichtweisen mitliefern zu wollen. Es ist klar, dass die im Artikel geschilderten Traditionen nicht die der Mehrheitsgesellschaft sind. Weswegen sich an Stelle von Kommentaren (mit emanzipatorischem Anspruch), einzelne Stimmen und Haltungen aus der Gemeinschaft wiederfinden (entweder anhand von Mitteilungen oder vermittelt durch die Autorin, wenn sie z.B. über das teilnahmslose Gesicht der Braut berichtet). Wer Stimmen aus der Gemeinschaft vermisst, die Zweifel an ihren eigenen Traditionsvorstellungen hegen, lese Cumitas anderen taz-Beitrag „Sie leben im 'Părăseală'“, – diese gibt es auch. Womit eben auch keine gleichmachende Sichtweise verbreitet wird, sondern Cumitas Beiträge handeln ganz konkret vom Leben einiger der in Berlin lebenden Roma und Romni (das Wissen, dass diese nicht alle repräsentieren, wird vorausgesetzt, s. weitere taz-Beiträge). Was Betteln, Scheibenputzen und Obdachlosenzeitungen verkaufen bedeutet und voraussetzt, berichtet Cumita in ihren anderen Beiträgen (darunter was es heisst Analphabetin im bestehendem System zu sein, mit Kindern in Abbruchhäusern ohne Strom und fließendem Wasser zu leben). Über die Gründe, die zu den geschilderten Situationen geführt haben, können LeserInnen selber nachdenken und sich informieren. Insofern großen Dank an die Autorin, als auch die taz – Redaktion, welche nicht auf einheitlichen Schreibweisen besteht.

  • Liebe Taz,

     

    ich mag eure Themen und den Schreibstil eurer AutorInnen - aber achtet doch in Zukunft bitte wieder etwas mehr auf Qualität!

    Sprachlich und stilistisch ist das hier einfach unschön.

    Inhaltlich werden alle gängigen Klischees über RomNja bedient und vertieft. Ich würdige es, dass die Autorin sich dem Thema nähert. Aber ein wenig Reflexion über das Beobachtete hätte dem Artikel sicher nicht geschadet - reine Deskription steht erstens im Verdacht sozialromantischer Folkloristik und ist zweitens in keiner Weise geeignet, dem aktuellen, schon ausreichend klischeebeladenen Diskurs über "Roma" etwas entgegenzusetzen.

     

    Wenn man auf "Mehr von Aura Cumita" klickt, erscheint eine nicht funktionierende, leere Taz-Seite. Fänden sich dort noch mehr derartige Artikel, bin ich froh, dass es so ist.

  • @Malin B: Sind die zwei Beiträge eine bewusste Satire auf linke Diskurse? Manchmal ist im Internet Trolling von tatsächlichen Positionen nicht zu unterscheiden.

  • Sympathie für die Kultur der Roma weckt dieser Artikel nicht gerade. Der Kaufpreis für die Braut wurde in Berlin zusammengebettelt. Das will man liebsten gar nicht wissen oder es zumindest so kritiklos und platt präsentiert bekommen.

  • Doch nicht nur die Art und Weise der Darstellung scheint mir problematisch. Schon die Wahl des Gegenstands des Artikels ist, ob bewusst oder unbewusst, Teil eines Mechanismus, der eine Dichotomie des Wir und des Anderen eröffnet. Ob so Verständnis für oder Kritik an einer historisch entstandenen Tradition in einem ganz bestimmten Kontext erweckt werden soll, ist für mich schwer zu sagen und vielleicht auch nicht weiter von Bedeutung. Eine neutrale Beschreibung kann es allerdings, so glaube ich, nicht geben und je nach Leser*innenschaft wird so entweder die eine oder die andere Bedeutung beigemessen – ungeachtet dessen, was der*die Autor*in ursprünglich intendierte. Dass diese Darstellung aber spätestens durch die bewusste Einordnung unter der nicht weiter ausdifferenzierten Kategorie Roma ein Anderes kreiert, ist wahrscheinlich unvermeidlich.

     

    Worum es mir nicht geht, ist bestimmte Themen zu tabuisieren. Gerade aber der im ersten Kommentar angesprochene emanzipatorische Anspruch verlangt meiner Meinung nach danach, sich zum einen über die Frage Gedanken zu machen, wer wen wie repräsentiert? und zum anderen behutsam mit Kontexten und bestehenden Diskursen umzugehen, um Rassismen und Stereotypen nicht zu reproduzieren.

     

    Entschuldigen Sie bitte die Überstrapazierung des Kommentarfeldes.

  • Die Intention, die mit diesem Text verfolgt wird, will mir nicht klar werden. Das Geschehene bzw. Erlebte wird abgesehen von der festschreibenden und generalisierenden Über-Überschrift der "Roma-Verlobung" kaum mehr von anderem Subtext eingerahmt. Was bleibt, ist bloße subjektive Darstellung dessen, was der*die Autor*in erlebt bzw. wahrgenommen hat; unsichtbare Autorschaft, die über den eigenen Kontext keinerlei Aussagen macht oder machen will.

     

    Die Problematik hierbei ist meiner Meinung nach, dass so die Subjektivität dieser Repräsentation einer durch die Über-Überschrift in Anspruch genommenen und homogenisierten Gruppe verschleiert wird. Verstärkt natürlich noch durch die Autorität, die ein Text dieses Formats und Mediums genießt.

     

    Auch die bestimmte Kontextualität des Beschriebenen wird, abgesehen von einigen bildlichen Umschreibungen der Lokalitäten, nicht weiter erläutert oder vertieft.

    Die Überlagerung unzähliger sozialer, politischer etc. Faktoren durch die so simpel verwendete Kategorie Roma führt so, denke ich, zur Unsichtbarmachung der Heterogenität innerhalb einer politischen oder sozialen Identität und läuft so Gefahr, mit einer einzigen wahrnehmbaren Stimme und anhand eines einzigen Geschehens ein vermeintliches Kollektives darzustellen und zu prägen.

     

    Dass hier möglicherweise bestehenden Ressentiments in die Hände gespielt wird, ist meiner Meinung nach zumindest der genaueren Reflexion wert.

     

    Und wie sich unschwer schon an den zwei Kommentaren, die sich zu diesem Beitrag nahezu notwendigerweise so zeitigen mussten, erkennen lässt, fallen Darstellungen dieser Art von ohnehin stigmatisierten Gruppen in deutschsprachigem Kontext und mittels dieses Mediums in einen von Rassismen und Vorurteilen geprägten und in aufklärerischer Manier eurozentrischen Diskurs.

  • Fassen wir zusammen: Zwei Minderjährige werden einer arrangierten Ehe zugeführt. Das Einverständnis des Bräutigams - von der Braut ganz zu schweigen - ist nicht erforderlich. Schließlich haben Bruder und Mutter der Braut einen angemessenen Betrag erhalten, für den der Backfisch gefälligst die Klappe zu halten hat und das auch brav tut. Packendes Finale ist eine sexuelle Nötigung unter Teilausschluss der Öffentlichkeit. Für die taz (war da mal was mit linken emanzipatorischen Werten?)aber alles kein Thema sondern ne dufte Sache, solange "ein ganzes Viertel feiert". Kulturrelativismus in Reinform.

    • @Rotbarsch:

      Danke für die klaren Worte - ich bin entsetzt über die taz (allerdings nicht zum ersten Mal!)!

    • @Rotbarsch:

      @ Rotbarsch:

      Und als Krönung erfährt der erstaunte Leser, dass der Kauf von Obdachlosenzeitungen den Menschenhandel finanziert. Aber was solls, es ist doch "nur" ein "Sinti und Roma Mädchen" (Ironie aus)

    • @Rotbarsch:

      Stimme voll und ganz zu.