Erymas M.-Prozess: "Der Freispruch ist nicht überraschend"

Die Indizienkette war einfach zu schwach, sagt Judith Porath von der Opferberatung Brandenburg

Freigesprochen: Björn L. Bild: dpa

taz: Frau Porath, 14 Monate nach dem Überfall auf den Deutschäthioper Ermyas M. sind die beiden Angeklagten freigesprochen worden. Wundert Sie das?

Judith Porath: Nein, überhaupt nicht. Wir haben den Prozess während der ganzen Zeit beobachtet und währenddessen zeichnete sich schon ein Freispruch ab. Denn die Indizienkette war einfach zu schwach. Außerdem kann sich der Hauptzeuge Ermyas M. nicht mehr genau an den Tatvorgang erinnern. Die Angeklagten haben nicht gestanden und die Zeugenaussagen waren sehr widersprüchlich. Es lassen sich Bausteine zusammenfügen, aber eine endgültige Klärung gibt es nicht.

Ungeklärt bleibt auch, ob es sich um eine rassistisch motivierte Tat gehandelt hat.

Wir gehen davon aus, dass es einen fremdenfeindlichen Hintergrund gibt. Das hat Ermyas M. auch nach der Urteilsverkündung bestätigt. Er selbst hat das Gefühl, dass der Übergriff fremdenfeindliche Hintergründe hatte.

Gefühle reichen aber vor Gericht nicht als Beweise aus.

Natürlich reichen Gefühle nicht aus. Aber deswegen darf die Aussage eines Betroffenen nicht in den Schmutz gezogen werden. Der Mailboxmitschnitt zeigt, dass es einen rassistischen Hintergrund gibt. Auf diesem Mitschnitt wird er als "oller Nigger" beschimpft. Also deutlicher geht es nicht.

Kritiker werfen Ermyas M. vor, dass er zur Tatzeit betrunken war und selbst provoziert habe. Er soll als Erster zugetreten haben.

Er war betrunken, wie viele Menschen auch, die Abends ausgehen. Es gab vor dem Überfall eine Diskussion mit einem Busfahrer. Der hat bestätigt, dass Ermyas M. aufgebracht gewesen sei, ihn aber nicht beschimpft habe.

Der Deutschäthioper hat aber selbst Kritik auf sich gezogen. Obwohl er keine Erinnerung an den Überfall hat, äußerte er im Fernsehen die Vermutung, die beiden Angeklagten seien die Schuldigen.

Jeder der sich mit Psychologie beschäftigt weiß, dass man sich bei schweren Traumatisierungen nicht immer vollständig erinnern kann. Aber Betroffene erzählen uns davon, dass sie es zwar nicht beweisen können, aber dennoch die jeweiligen Täter zu erkennen glauben. Deswegen glaube ich Ermyas M., dass er für sich in Anspruch nimmt die Täter zu erkennen.

Machen Sie sich Sorgen? Letzte Woche der rechtsextremistische Überfall in Halberstadt und jetzt der Freispruch.

Die Angriffszahlen sind weiterhin auf einem hohen Niveau. Deswegen müssen wir uns auch Sorgen machen. So wurden am letzten Wochenende in Cottbus zwei Afrikaner zusammengeschlagen.

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