Schwarz-Grün: Die Tröge der Macht

Schwarze spekulieren über Bündnisse mit Grünen. Diese geben sich gegenüber der neobürgerlichen Machtversuchung reserviert - aus guten Gründen.

"Ein besonderer Held": Günther Oettinger Bild: reuters

Hätte er doch haben können. Neulich, nach der Wahl zum Stuttgarter Landtag, wäre es für den CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg kaum ein Akt von Mut gewesen, die Ökos statt der Liberalen in eine Landeskoalition zu bitten. Stimmenmäßig wäre es gegangen - allein: Günther Oettinger ist ein politischer Hasenfuß. Erst am Wochenende teilte er mit, eine Koalition auf Bundesebene zwischen den Schwarzen und den Grünen sei möglich.

Grünen-Parteichef Reinhard Bütikofer, selbst aus dem deutschen Südwesten stammend, reagierte erwartet kühl: "Oettinger ist ein besonderer Held. Was er selbst sich nicht getraut hat, das empfiehlt er jetzt weitsichtig für den Bund." Immerhin: Dem Württemberger sprang parteiintern ein Politiker wie Friedbert Pflüger bei: "Schwarz-Grün kann für die Union eine Zukunftsoption sein." Aber was soll der Mann auch sagen? Im Berliner Abgeordnetenhaus der Chef der Union zu sein - aber weil diese noch mindestens vier Jahre in der Opposition sitzt, ist das auch keine erquickliche Lage: Man hat ohnehin nichts zu melden.

In der gesellschaftlichen Wirklichkeit aber sind Meldungen schwarz-grüner Hoffnungsmacherei gar nicht so unberechtigt. Denn die Union muss sich Gedanken machen, will sie mal wieder, inhaltlich gesehen, aus dem Vollen schöpfen: Koch und Kellner - sie wäre ja lieber die Person am Herd, nicht die in der dienenden Funktion. Im Bundestag funktioniert das nicht - die Kanzlerin gibt die Köchin, aber die Sozen wollen nicht so recht zu Diensten sein. Und dann das politische Ungeheuer namens Kurt Beck. Weiß doch niemand, ob der Mann nicht doch ziemlich populär ist. Die demoskopischen Befunde sagen nämlich: Die Union wird, möchte sie auf die SPD verzichten, auf die Grünen zugehen müssen. Das Institut für Demoskopie Allensbach veröffentlicht Monat für Monat in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Fühl- und Handlungsprognosen des deutschen Wahlvolks, wonach Schwarz-Gelb keine Mehrheit hat, die Roten, Vollroten und Ökos zusammen ihnen überlegen sind.

Nun will die Union die Grünen einerseits ja sehr. Die klassische Partei der Bürger mit dem neobürgerlichen, ökoliberalen Zuschnitts. Umweltfragen, Familiengeschichten, Finanzrechnereien - man liegt ja nicht weit auseinander. Andererseits wollen die Grünen Homogeschichten und zugleich keine nationalistischen Leitkulturdebatten. Machen diese Differenzen die Chose also unmöglich? Keinesfalls. Heiligendamm war im Grunde die erste Manifestation des schwarz-grünen Bündnisses. Je nach Perspektive standen auf der einen Seite die Schwarzen und feilschten um eine besser Klimabilanz - so geht das Image -, auf der anderen protestierten die Gerechtigkeitsinteressierten unter dem Siegel der Globalisierungskritik gegen die Großmächte. Ihre Heldin war Angela Merkel - und diese wurde nicht müde, die Protestierer fast wie eine gute Mutter zu loben.

Wären ihnen doch bloß die Grünen stärker gewogen, mag sich mancher Unionsmensch sagen. Doch die wissen, weshalb eilige Liebesavancen ihnen nur schaden können. Die grüne Kernwählerschaft - also Menschen, die die Ökopartei auch wählten, wenn diese nur Besenstiele aufstellte - ist schmaler als die der FDP. Ein Bündnis mit der Union würde eventuell traditionsbürgerliche Wählerstimmen eintragen - aber zugleich jene, für die links eine Identitätskategorie ist, zu Lafontaines Linker wie zur SPD treiben. Christian Ströbele wäre dann wirklich ein Gerhard Baum der Grünen, in Würden ergraut, bürgerrechtlich mit dem Herz auf dem richtigen Fleck, und eine Claudia Roth könnte die gute Erbin der Rolle der Hildegard Hamm-Brücher werden: Die FDP hat nach der Wende zur Union 1982 ihr Überleben nur knapp geschafft.

Die Union hingegen, so sagt die Demoskopie, werde kaum an Wählern verlieren, ginge sie mit den Grünen eine Allianz ein.

Am Ende stünde auf alle Fälle die Linke prächtig da - unbefleckt von bürgerlicher Machtversuchung im Bund, also attraktiv für alle Wählenden, die ohnehin keine Macht wünschen, weil Opposition und Opferkult zu ihrem Wesen gehören. Jamaika, die Zaubervokabel aller, die eine schwarz-gelb-grünes Bündnis wünschen, reden von Virtuellem. Gespielt wird aber auf dem Platz. Die Grünen ringen, zwei Jahre nach ihrer Entfernung von den Trögen der Macht, noch um ihre Wiederbelebung in eigener Sache.

In Bremen klappt es schon mal. Ein kleiner Anfang, mehr nicht - auch wenn er wieder nur vom Servicebereich der Sozialdemokraten ausgeht. Die stehen dort nämlich wieder als Köche da - stark wie selten.

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