Kommentar: Unmöglicher Auftrag in Afghanistan

Das militärische Vorgehen der Nato in Afghanistan fordert immer mehr zivile Opfer. Aufbauhilfe wird so unmöglich. Deutschland muss seinen Bundeswehreinsatz neu überdenken

Heute vor einem Monat, drei Tage nach ihrem tödlichen Anschlag auf drei Bundeswehrsoldaten in Kundus, kündigten die Taliban die "flächendeckende Kampagne Hinterhalt" gegen Ziele im ganzen Land an. Diese Strategie von immer mehr (Selbstmord-)Attentaten zusätzlich zu punktuellen militärischen Angriffen ist sehr "erfolgreich". Die Ankündigungen der Nato-Regierungen hingegen sind nur heiße Luft. Ihren Erfolgsmeldungen glaubt die Mehrheit der Bevölkerung der meisten Mitgliedsländer längst nicht mehr.

Das militärische Vorgehen der Nato in Afghanistan ist kontraproduktiv, da es immer mehr Opfer unter der Zivilbevölkerung fordert und den Taliban mehr Sympathie und neue Kämpfer zutreibt. Diesen Krieg in Afghanistan kann die Allianz nur verlieren. Zumal die wichtigste Finanzquelle der Taliban, der Anbau und Verkauf von Drogen, ungehindert sprudelt. Vergebens haben die ranghöchsten militärischen Nato-Kommandeure die Regierungen der Nato-Staaten auf dem letzten Gipfel Ende 2006 aufgefordert, gegen das Drogenproblem vorzugehen.

Für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der Isaf in Nordafghanistan bedeutet dies: Der Auftrag der deutschen Soldaten, Wiederaufbau abzusichern und das Land zu stabilisieren, ist notwendig und richtig. Das gilt trotz der berechtigten Kritik vieler Nichtregierungsorganisationen. Etwa daran, wie der Einsatz praktisch umgesetzt wird oder dass die "zivilmilitärische Zusammenarbeit" vor Ort durch die Bundeswehr bestimmt wird. Doch unter der Rahmenbedingung eines eskalierenden Krieges im übrigen Afghanistan wird der Bundeswehreinsatz im Norden unmöglich.

Die Bundesregierung sollte diese Tatsache nicht länger verdrängen. Die im Herbst anstehende Entscheidung über eine Verlängerung des Einsatzes in Nordafghanistan muss sie davon abhängig machen, ob die Nato den Krieg in den anderen Teilen des Landes beendet. So könnte Berlin im Bündnis die längst überfällige Überprüfung der Afghanistanmission erzwingen. Tut die Bundesregierung dies nicht, wird innenpolitischer Druck infolge immer mehr getöteter deutscher Soldaten sie schon bald zum planlosen Abzug aus Afghanistan zwingen.

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Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

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