Fußball: Fans werden Funktionäre

Erstmals seit 1988 wird ein Fußball-Fankongress veranstaltet. In Leipzig geht es am Wochenende um "erlebnisorientierte" Ultras und "die Aktivierung von Zivilcourage".

Hinter Gittern: Der Fußballfan, hier ein Rostocker Exemplar, hat's gewiss nicht leicht Bild: dpa

Natürlich fährt auch Axel Klingbeil auf den Fankongress nach Leipzig an diesem Wochenende. Ist doch der 41-jährige gelernte Schlosser gerade seit dem Bundesligaaufstieg von Hansa Rostock ein in Sachen Fans äußerst gefragter Mann. Axel Klingbeil vertritt seit nunmehr einem Jahr als Fanbeauftragter den Verein von der Ostsee. Durch zuletzt zahlreiche gewalttätige Auseinandersetzungen von Teilen der Rostocker Anhängerschaft mit der Polizei und gegnerischen Fans herrscht vor der neuen Bundesligasaison derzeit eine gewisse Ratlosigkeit. Viele Bundesligisten stellen sich die bange Frage, was denn in der kommenden Spielzeit "da aus dem Osten" in die Stadien "nach Westen" anreisen wird und wie sich die Gäste dort benehmen werden.

Lange Zeit galten die Rostocker Fans als "zahlreich, trinkfest, aber friedlich", wie Axel Klingbeil es formuliert. Diese positive Zuschreibung gilt nicht mehr. In Rostock wie anderswo hat sich die Fankultur in den vergangenen Jahren gründlich gewandelt. Viel getrunken wird zwar immer noch, aber das ist auch nahezu die einzige Konstante im Verhalten der Fans in der Bundesligageschichte. "Es gibt nun immer mehr Ultras, und die locken wiederum erlebnisorientierte Fans in die Stadien. Damit hat Rostock jedoch keine andere Entwicklung durchgemacht als die gesamtdeutschen Fanszene überhaupt", betont Klingbeil. "Erlebnisorientiert" ist eine eher harmlose Umschreibung für Fans, die auf nichts anderes aus sind als Randale.

Auch dem Koordinator für Fanangelegenheiten der Deutschen Fußball Liga (DFL), Thomas Schneider, ist der öffentliche Blick auf die Fans zu sehr auf das Verhalten der ostdeutschen Fans ausgerichtet. "Dabei unterscheidet einen Hooligan aus Leipzig oder Dresden doch eigentlich nichts von einem aus Dortmund oder München. Nur die Wahrnehmung der Journalisten ist eine ganz andere", erklärt der 47-jährige hauptamtliche Fanbeauftragte der DFL.

Die Fußballanhänger aus Ostdeutschland sind ein wichtiges Thema unter vielen, mit denen sich der Fankongress unter dem Titel "Fußball ist unser Leben" in Leipzig beschäftigen wird. Knapp 300 Faninitiativen aus ganz Deutschland haben dieses Fanmeeting ein Jahr lang gemeinsam vorbereitet. Es ist erst das zweite dieser Art in der Bundesligageschichte. Das letzte Fantreffen ging im Jahr 1988 in Bremen über die Bühne, vor knapp zwanzig Jahren also. "Es war höchste Zeit, dass sich die organisierte deutsche Fanszene wieder trifft, miteinander redet und arbeitet. Wir haben uns viel zu erzählen", meint Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle der Fan-Projekte in Deutschland (KOS).

Zum Beispiel das: 36 offizielle Fanprojekte gibt es derzeit im deutschen Fußball, von der Oberliga bis hinauf in die erste Bundesliga. Lediglich Hansa Rostock und der Deutsche Meister VfB Stuttgart sind nicht auf der Bundesligakarte vertreten - aus unterschiedlichen Gründen. "Wir arbeiten daran, sind aber noch nicht so weit", erklärt der Rostocker Klingbeil und verspricht eine baldige Installierung eines Fanprojektes beim Aufsteiger. Der Wille in Rostock ist also da. Der Druck auf Hansa ist ohnehin spürbar gewachsen, vor allem nach dem jüngsten, gewalttätigen Auftreten der Rostocker Fans, die selbst die Aufstiegsfeier vor einem Monat mitprägten.

Im Bundesland Baden-Württemberg, wo die Stuttgarter beheimatet sind, gestaltet sich die Lage indes anders. Dort verweigert sich das Land der Finanzierung des Fanprojektes. Solche Initiativen werden immer "drittelfinanziert", zu gleichen Anteilen aus Landes-, Kommunal- und Fußballvereinsmitteln. "Macht da einer nicht mit, hat ein Fanprojekt keine Chance, sich zu etablieren", sagt Schneider. Das andere Bundesland, was sich an diesem sonst überall bewährtem Finanzierungsmodell nicht beteiligt, ist Sachsen. Auch deshalb wurde die Stadt Leipzig als Stätte für den Fankongress auserkoren.

In zahlreichen Foren werden die Fanvertreter an diesem Wochenende gemeinsam arbeiten. Der Fankongress ist bewusst nicht als ein "Schaulaufen für Fußballpromis" konzipiert worden, wie Thomas Schneider verspricht. Theo Zwanziger als Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und Wolfgang Holzhäuser als Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga werden zwar heute den Kongress offiziell eröffnen. "Danach aber bleiben die Fans unter sich", sagt. Fünf Schwerpunkte zur "Fanarbeit der Zukunft" sollen in Leipzig gemeinsam und zum Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt werden. Im "Forum Fankulturen" wird es vor allem um die zunehmende Kommerzialisierung des Sports gehen, im "Forum Spannungsfelder" um die steigende Anzahl der von den Vereinen ausgesprochenen Stadionverbote für Fans und um die bei den Anhängern so unbeliebten Spielpläne in den Profiligen. Immer nur fünf Spiele im Voraus setzt der DFB nämlich die Verteilung der Partien in der ersten und zweiten Bundesliga von Freitag- bis zum Montagspiel fest. Dieser Modus verhindert eine langfristige Planungssicherheit für die Anhänger. Das gilt besonders für die Auswärtsspiele. Im Forum "Antidiskriminierung" stehen die Arbeitsfelder "Rassismus und Aktivierung von Zivilcourage" auf der Tagesordnung. Ein volles Programm also, noch gerade rechtzeitig vor dem Beginn der neuen Bundesligasaison am 10. August.

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