ORF-Serie: Voll daneben

WG-Leben in Wien: Die Soap "Mitten im 8en" sollte den ORF verjüngen. Gestern wurde sie eingestellt. Die Programmreform ist gescheitert.

WIEN taz Sie galt als Kernstück der großen Programmreform und sollte die junge Generation an den Bildschirm binden: Die Austro-Soap "Mitten im 8en". Die auf 150 Episoden angelegte Eigenproduktion, die 6,5 Millionen des 12-Millionen-Euro-Zusatzbudgets verschlang, wurde am Freitag nach Folge 56 eingestellt.

400.000 Zuschauer täglich waren der Werbewirtschaft versprochen worden. Gerade 80.000 waren es zuletzt, die sich für die gequält lustigen Szenen aus einer WG in Wiens 8. Bezirk interessierten. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz zog angesichts verheerender Quoten und anhaltend vernichtender Kritiken die Notbremse und schafft damit viele neue Probleme. So muss er nicht nur Ersatz schaffen, sondern auch die Vertragsauflösung mit der Produktionsfirma als Bittsteller verhandeln. Viel Entgegenkommen kann er da nicht erwarten.

Wrabetz war vergangenen August als Hoffnungsträger einer breiten Allianz im Stiftungsrat gewählt worden, die mehr Qualität und größere redaktionelle Freiheit einforderte. Nach Jahren der politischen Gängelung unter der ÖVP-affinen Generaldirektorin Monika Lindner und ihrem strengen Chefredakteur Werner Mück weht tatsächlich ein frischer Wind durch die Gänge und Studios des ORF-Zentrums am Wiener Küniglberg. Doch der Versuch, mit einer umfassenden Programmreform verlorene Zuschauer zurückzuholen, ist vorerst misslungen.

Allgemein begrüßte Neuerungen wie der feste Sendeplatz für europäische Filme werden von diesem einen Flop überlagert - eignet sich doch "Mitten im 8en" als Symbol für Versuche mit unzureichenden Mitteln. Denn die Kopie einer erfolglosen Endemol-Produktion konnte nur scheitern. Der Einsatz von Laienschauspielern und deutschen Regisseurinnen ohne den nötigen Wiener Schmäh haben das Unterfangen schnell zur Lachnummer der Reform gemacht.

Quote verlieren aber auch die Informationssendungen, die von der Reform bisher noch nicht voll erfasst wurden. Solange die abendliche "Zeit im Bild" auf beiden öffentlich-rechtlichen Kanälen zu sehen war, hatte sie einen Marktanteil von 60 Prozent. Seit sie - in Konkurrenz zu "Mitten im 8en" - nur noch in ORF 2 ausgestrahlt wird, schalten gerade noch 38 Prozent ein. Die Absetzung der beliebten Vorabendsendung "Willkommen Österreich" mit bunten Berichten aus den Bundesländern hat treue Zuschauer vergrault. Und der versprochene Qualitätszuwachs lässt auf sich warten. Christian Schüller, Vizechef der Magazinredaktion, beklagt, dass für die versprochenen Neuerungen im Informationsbereich kein Geld mehr da sei. Das wöchentliche Politmagazin "Report" sollte nach seinem Wunsch zu einem investigativen Journal umgebaut werden. Doch für das erforderliche Personal fehlt das Budget.

Generaldirektor Wrabetz, der eine Trendwende für kommenden August voraussagt, gräbt jetzt seinem eigenen Reformbemühen das Wasser ab, indem er einen strengen Sparkurs verordnet. Die Werbeeinnahmen hängen von der Quote ab, und auch die für 2008 geplante Gebührenerhöhung wird sich politisch schwer durchsetzen lassen, wenn immer weniger Menschen die ORF-Programme einschalten.

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