Kommentar: Zwang zum Wohle der Kinder

Zypries Schritte zum Schutz vor Verwahrlohsung sind richtig. Denn das Kindeswohl ist wichtiger als die Privatsphäre der Eltern.

Für junge Eltern und ihre Kinder gibt es ein engmaschiges Netz an Hilfsangeboten: Hebammen, Kinderärzte oder Beratungsstellen stehen für sie kostenlos zur Verfügung. Wer Unterstützung sucht, findet sie. Doch Kinder sind darauf angewiesen, dass ihre Eltern auch Hilfe suchen, wenn sie Hilfe benötigen. Darauf können sie aber nicht bauen. Schätzungen zufolge werden fünf bis zehn Prozent der Kinder in Deutschland vernachlässigt.

Aufgeschreckt durch extreme Fälle von Verwahrlosung, hat sich Justizministerin Brigitte Zypries daran gemacht, den Schutz von Kindern zu verbessern. Ihre Maßnahmen sind richtig - etwa die Familiengerichte früher mit Problemfamilien zu befassen und sie zu einem differenzierteren Eingreifen zu bewegen. Eine größere Wirkung entfalten wird jedoch das Projekt ihrer Kabinettskollegin Ursula von der Leyen, die in einem "Nationalen Zentrum Frühe Hilfe" Kompetenz über und Hilfsangebote für Problemfamilien entwickeln will. Denn Kindern, denen Vernachlässigung oder Misshandlung drohen, muss geholfen werden, bevor sie ein Fall für die Familiengerichte werden. Es gibt schon jetzt Projekte, die von dieser Erkenntnis ausgehen. So schickt Dormagen Sozialarbeiter in Familien mit Neugeborenen, und das Saarland verpflichtet Eltern zu Vorsorgeuntersuchungen.

Natürlich haben Eltern ein Recht auf Privatsphäre, und ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist wichtig. Wichtiger aber ist das Kindeswohl. Um es durchzusetzen, wird der Staat ohne Verpflichtungen und Zwang nicht auskommen. Ärzte, Krankenhäuser und Jugendämter werden Kontrollfunktionen übernehmen müssen. Damit sie effektiv und doch maßvoll wirken können, ist ein persönlicher Kontakt zu den Familien wichtig. Die Mitarbeiter benötigen für ihre sensible Aufgabe eine gute Ausbildung und vor allem Zeit. Krankenhäuser oder Jugendämter sind heute aber unterbesetzt, die bankrotten Kommunen müssten neue Stellen finanzieren. Solange es vor Ort an Personal mangelt, sind neue Initiativen der Regierung im Bund von geringem Nutzen.

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Jahrgang 72, schreibt über Rohstoffthemen, Chemie und gerne auch den Wald. (Mit-)Autorin verschiedener Bücher, zuletzt eine Stoffgeschichte über Seltene Erden.

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