Kommentar: Keine Lücke im Strafrecht

Für Schäubles Ideenwahn zu neuen Antiterrorgesetzen gibt es schlicht keinen Bedarf. Warum?

Innenminister Schäuble drückt und presst. Kaum ein Wochenende vergeht ohne neue Vorschläge zur Terrorbekämpfung. Jetzt hält er nicht einmal mehr seine Zuständigkeit ein und setzt Justizministerin Zypries mit einem neuen Vorschlag für Antiterror-Strafparagrafen unter Druck. Doch für neue Strafvorschriften besteht überhaupt kein Bedarf.

Schon seit den Siebzigerjahren ist Deutschland mit einem strengen Vorfeldstrafrecht ausgestattet. Wer einer terroristischen Gruppe angehört oder diese unterstützt, kann dafür bestraft werden, ganz unabhängig von seiner Teilnahme an konkreten Anschlägen. Diesen Paragrafen 129 a nutzen Polizei und Staatsanwaltschaft gerne, um radikale Szenen wie die militanten G-8-Gegner auszuforschen. Meist kommt es aber nicht einmal zu einer Anklage.

Islamisten organisieren sich zwar häufig anders und nicht in dauerhaften Organisationen, doch dadurch ist keine echte Gesetzeslücke entstanden. Schließlich ist die Polizei schon immer auch zur Gefahrenabwehr zuständig und kann sogenannte Gefährder präventiv beobachten. Bisher ist dies Aufgabe der Landespolizeien. Nach der Föderalismusreform soll künftig aber auch das Bundeskriminalamt präventiv tätig werden dürfen.

Bei den Kofferbombern von Nordrhein-Westfalen zum Beispiel fehlte es nicht an der Rechtsgrundlage für eine Überwachung: Die Sicherheitsbehörden hatten die beiden Libanesen schlichtweg gar nicht auf dem Schirm. Sie wurden jetzt zwar nicht wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung angeklagt, weil ein dritter Mann fehlte. An der Strafzumessung wird das aber überhaupt nichts ändern. Ein zigfacher Mordversuch wiegt schließlich schwer genug.

Auch der potenzielle Einzeltäter Ihsan Garnaoui, bei dem die Vorbereitungen für einen Anschlag noch nicht einmal das Versuchsstadium erreicht hatten, wurde vom Landgericht Berlin 2005 nicht freigesprochen. Vielmehr erhielt er für kleinere Delikte wie unerlaubten Waffenbesitz eine gewiss nicht milde Strafe von fast vier Jahren Haft. Schäuble muss also schon genauer erklären, wo er eigentlich einen Bedarf für neue Strafvorschriften sieht.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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