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GeschichtsstundeWaren wir das?

Kommentar von Klaus Raab

Zurück in die Kuhzunft: Der Vierteiler "Die Germanen" (Sa., 20.45 Uhr, Arte) zeigt eine bäuerliche Gesellschaft auf ihrem Weg in die Zukunft

Am Limes gab es zwischen Römern und Germanen nicht nur Scharmützel Bild: dpa

D ie Barbaren sind immer die anderen, und in diesem Fall sind es: die Germanen. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus hielt eher große Stücke auf sie, er schrieb, sie seien "fast die einzigen unter den Barbaren, die sich mit einer Gattin begnügen". Daran, dass sie Barbaren seien, änderte das selbstverständlich nichts. Denn sich die jeweils anderen als klein vorzustellen, geht bis heute am besten, indem man ihnen Kultur ab- und barbarisches Verhalten zuspricht.

Arte erzählt von heute an die Geschichte der Germanen. Vier Stunden dauert die vierteilige Dokumentation "Die Germanen". Sie beginnt damit, wie Julius Cäsar die vielen Gruppen 50 v. Chr. unter den Sammelbegriff "Germanen" packte und sie so quasi erfand. Zeigt, wie und warum die römischen Legionen 9 n. Chr. in der Varusschlacht gegen den Germanenanführer Arminius untergingen. Wie sich größere germanische Gruppen formierten und sich bekriegten. Wie die Christianisierung der Franken begann und sie in Westeuropa Nachfolger des Römischen Reichs wurden. Das sind die Eckpunkte eines kulturhistorischen Streifzugs durch etwa 550 Jahre. Man kann diese Geschichte auf viele Arten erzählen, und die Macher nutzen diese Möglichkeit und nehmen wechselnde Perspektiven ein: Sie erzählen sie als kriegerischen Konflikt, der, zum Teil am Computer animiert, durchaus Raum beansprucht. Wohl weil Kampfszenen immer gute Bilder liefern, sind dem römischen Gladiatorenwesen, das auch in germanischen Kolonien seinen Platz hatte, ein paar Minuten zu viel gewidmet. Schlachten erzählen sie mit einem schwer melgibsonistischen Blick als Freiheitskampf.

Doch die Betonung liegt nicht auf dem Leben gegen die Römer, sondern darauf, dass ein Alltag mit ihnen stattgefunden hat. Das könnte diese Dokumentation von anderen unterscheiden, die 2009, wenn sich die Varusschlacht zum 2.000. Mal jährt, gezeigt werden dürften.

Was an einer Stelle ungenau als "Zusammenprall der Kulturen" vereinfacht wird, wird eigentlich als der differenziertere Prozess einer Aneignung erzählt. Die Germanen, zunächst als bäuerliche Gesellschaft gezeichnet, die von außen romanisiert werden sollte, richten sich im römischen Leben ein und eignen es sich aktiv von innen an: Sie benutzen Artefakte der Römer, ergänzen deren Architektur, arbeiten ihren Schmuck um. Die Römer wiederum eignen sich Elemente germanischer Glaubenspraxis an. Was die Filme leisten, ist, zu zeigen, dass politisch-geografische Grenzen - hier der Limes - starr sein mögen, kulturelle Grenzen aber durchlässig.

Im Zentrum stehen in jedem Teil eine fiktive Figur und ihr Leben, wie es "gewesen sein könnte". Diese Szenen sind reichhaltig ergänzt um die Ausführungen durch renommierte ArchäologInnen, HistorikerInnen und LinguistInnen sowie um Bilder von vielen relevanten Ausgrabungsstätten und Schauplätzen.

Die Filmemacher erzählen die Geschichte der Germanen nicht als die von Barbaren, auch nicht nur als die von Unterdrückten, sondern als Geschichte von Menschen. Einmal - mit dem Römischen Reich ist es da schon bergab gegangen - heißt es: "Die Germanen werden bald Europa in die Zukunft führen. Im Zeichen des Kreuzes." Spätestens da ist klar: Die Barbaren sind immer die anderen. Aber die Germanen - die sind uns so fern nicht.

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