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Bayern MünchenDer Top-Top-Favorit

Das erneuerte Bayern-Ensemble wird schon als Meister gehandelt. Nach dem 2:0 gegen Stuttgart wehrt sich Manager Hoeneß aber gegen diese Bürde.

Bayerns Franck Ribery kriegt Streicheleinheiten für sein Tor zum 1:1 gegen Stuttgart Bild: dpa

SUTTGART taz Immer wenn sich der Kopf hochrot färbt, lauert Gefahr. Und urplötzlich mochte Uli Hoeneß am Mittwochabend nicht mehr in die Lobeshymnen einstimmen, die da in den Katakomben des Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadions auf seinen neuen FC Bayern einprasselten. "Ich habe Angst, dass die Leute verrückt gemacht werden", zürnte Münchens Manager, "und die Spieler meinen, sie müssten nur noch Jo-Jo-Fußball spielen."

HALBFINALE LIGAPOKAL VfB Stuttgart - Bayern München 0:2

VfB Stuttgart: Schäfer - Beck (61. Ewerthon), Meira, Gledson, Boka - Khedira, Meißner (55. Hitzlsperger), da Silva (89. Mandjeck) - Hilbert, Farnerud - Cacau

Bayern München: Rensing - Lahm, Lucio, van Buyten, Jansen - Zé Roberto, Van Bommel (63. Ottl) - Altintop, Ribéry, Schweinsteiger - Wagner (83. Lell)

Zuschauer: 45.500 Tore: 0:1 Ribéry (8.), 0:2 Wagner (66.)

Gelbe Karten: Meira/Van Bommel

Der 55-Jährige ist lange genug im Geschäft, er kennt die Mechanismen einer Branche, die gern extrem und in immer hastigeren Intervallen urteilt. Derzeit ist es chic, den kommenden Meister zu nennen, ohne dass die 45. Bundesliga-Saison überhaupt begonnen hat, ohne dass das Vorspiel Ligapokal abgeschlossen ist. Doch nach dem 4:1 gegen Werder Bremen und dem nicht minder souveränen 2:0 beim VfB Stuttgart im Testlauf Ligapokal kann Hoeneß mahnen und warnen wie er will: Die Rolle des Top-Top-Favoriten werden die Seinen nicht mehr los.

Die Perspektiven der Männer im rot-weiß-roten Outfit schätzt ja sogar der Cheftrainer als prächtig ein. "Es macht Spaß, zuzusehen", befand Ottmar Hitzfeld entspannt. "Unsere Spielfreude hängt mit den Spielertypen zusammen: Wir haben mehr Substanz als früher, da eint sich Spiel- und Lauffreude." Letztere (in der Vorsaison vermisste) Eigenschaft erklärt Hoeneß schlicht so: "Die Spieler wissen genau, wenn sie schlecht spielen, sind sie draußen. Das ergibt einen menschlichen Reflex und der heißt laufen."

Auch Hamit Altintop sagt, Fußball sei "ganz einfach": Das verwirrende Kombinationsspiel einer gleichermaßen lauf- wie spielfreudigen Mittelfeldbesetzung führt der fidele Neuzugang auf Basisfähigkeiten zurückführt: "Jeder von uns dribbelt, schießt aus der Distanz und wechselt die Position: So sind wir nicht greifbar." Altintops Augen funkelten, so als wolle er sagen: So macht Fußball wieder Spaß. Am Samstag im Ligapokal-Finale gegen seinen Exklub FC Schalke 04 will der umtriebige türkische Nationalspieler zeigen, dass man ihn möglicherweise in Gelsenkirchen ein bisschen falsch eingeschätzt hat.

Und dann wird wohl auch Franck Ribéry wieder glänzen: Der freche Franzose mit den froschgrünen Schuhen ist bislang eine rasende Attraktion. "Er ist ein Ausnahmefußballer: Das wird er in Zukunft nicht nur in Europa, sondern der ganzen Welt zeigen", staunte Nationalspieler Roberto Hilbert. "Er ist in der Lage, aus dem Nichts zu explodieren", sagte Hitzfeld. Unberechenbar auf und außerhalb des Platzes. Sein im Schwabenland bestauntes Tagwerk war ein formvollendeter Kracher zum 1:0 (8.); außerdem eine formidable Einleitung zum 2:0 von Amateur und Aushilfsstürmer Sandro Wagner (66.), der bislang in 31 Regionalliga-Spielen gerade zweimal getroffen hatte.

Der 24-jährige Franzose, dessen Frau Wahiba bald das zweite Kind erwartet, ist auf dem Boulevard von Ribéry in "Riesery" umgetauft worden, aber Hoeneß findet das unerhört und sagt lieber, Ribéry sei doch noch gar nicht richtig fit. Auch solche Aussagen sollen den Eindruck vertuschen, der sich da abzeichnet: Dass das mit einem Investitionsaufwand von 70 Millionen Euro erneuerte Ensemble möglicherweise schlicht zu stark für den Rest ist.

Einen Bruder im Geiste fand Uli Hoeneß im Übrigen in Horst Heldt. Die Dominanz der Bayern zu diesem Zeitpunkt sehe er "ganz entspannt", verriet der VfB-Manager und grinste verräterisch. So als wolle er sagen: Wartet ab, bis wir unser wahres Gesicht zeigen und bis endlich die vielen Verletzten gesund sind. "Die Bayern wollten ein Zeichen setzen, wir haben andere Prioritäten", erklärt Heldt trocken. "Im Ligapokal wollten und konnten wir nicht auf Augenhöhe sein."

Von der Stuttgarter Mannschaft, die am 21. April dieses Jahres die Bayern mit 2:0 zerzauste und alle Münchner Hoffnungen auf die Champions League zerstörte, standen gerade mal vier Akteure in der Anfangsformation. "Angst habe ich beim besten Willen nicht, weil ich weiß, welches Potenzial wir besitzen und wie viel Luft noch nach oben ist. Die Bayern werden nicht durchmarschieren." Insgeheim sind Heldt und Trainer Armin Veh heilfroh, nicht im öffentlichen Fokus das Ligapokalfinale in Leizig zu bestreiten. "Der Ligapokal war für uns ein Testspiel - nicht mehr", erklärte Veh. Doch gegen den Eindruck, dass möglicherweise am Mittwochabend der alte gegen den neuen Titelträger verloren hatte, fand der Meistertrainer auch keine Argumente. Im Gegensatz zu Hoeneß.

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