Kongo: "Die Frauen fangen an zu reden"

Militärs und Milizionäre setzen im Kongo Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt als Waffe ein. Opfer sind meist Frauen, die aus Angst oftmals schweigen. Zwei Beraterinnen berichten nun.

Frauen im Kongo: Opfer von Vergewaltigungen schweigen meist. : dpa

Shamavu Sifa, Beraterin für Opfer sexueller Gewalt im Krankenhaus Heal Africa in Goma, Kongo:

"Vor drei Tagen kamen Militärs oder Banditen - einer trug Militäruniform, die anderen beiden die Uniform einer privaten Sicherheitsfirma - in das Haus eines Behinderten. Sie hielten dem behinderten Vater das Gewehr an den Schädel und verlangten Geld und Handys. Der Alte sagte: Ich habe kein Geld, wir sind schon einkaufen gegangen. Sie haben seinen Rollstuhl umgeschmissen und ihn mit dem Gewehrkolben geschlagen und ihm die Hände gefesselt, und dann haben sie seine Frau auf das Bett geworfen. Sie haben ein Handy an sich genommen und 3 US-Dollar, und dann haben sie begonnen, die Frau zu vergewaltigen. Sie haben alles an sich genommen, sogar die Kleidung.

Die US-Hilfsorganisation "Heal Africa" (früher Doctors On Call for Service - DOCS) ist seit 1999 eines der wichtigsten medizinischen Hilfswerke im Osten der Demokratischen Republik Kongo.

Sie betreibt in der ostkongolesischen Metropole Goma das größte private Krankenhaus, deren Station für sexuelle Gewaltopfer aus den Provinzen Nord-Kivu und Maniema wegen der andauernden Unsicherheit in ständiger Expansion begriffen ist. In enger Zusammenarbeit mit allen Religionsgemeinschaften der Region - sehr wichtig im äußerst religiösen Kongo und der einzige Weg, das Vertrauen der Frauen und Männer gleichermaßen zu gewinnen - sind bislang über 7.000 Opfer sexueller Gewalt identifiziert und über 5.000 behandelt worden. Fast 1.000 benötigten chirurgische Eingriffe zur Behandlung der oft dramatischen physischen Folgen.

Die Arbeit von Heal Africa ist auch Thema des preisgekrönten Dokumentarfilms "Lumo", der 2006 erschien und auf Festspielen in den USA, Großbritannien und Katar gezeigt worden ist. D.J.

Sie gingen in das Kinderzimmer; er hat zwei Töchter, 15 und 17 Jahre alt. Sie vergewaltigten die eine Tochter, die da war, vor den Augen ihres Vaters, der schon nackt ausgezogen war. Dann haben sie verlangt, dass der Vater seine eigene Tochter vergewaltigt. Die Tochter wollte fliehen, aber draußen vor dem Haus standen noch mehr Bewaffnete, und die sagten, dass sie auch jemanden wollten, also vergewaltigten sie sie, obwohl sie gerade ihre Periode hatte. Man hat sie geschlagen.

Als sie dann ins Haus zurückwollte, waren die Soldaten immer noch da und wollten mehr. Der Alte hat ihnen gesagt: Ich habe nichts mehr, was ich euch geben kann, ihr habt doch schon alles genommen! Sie haben ihn nach dem Schlüssel zum Schrank gefragt, um zu sehen, ob da etwas drin ist. Der Schrank war leer. Da haben sie alle verprügelt, bevor sie die Flucht ergriffen, weil UN-Soldaten unterwegs waren. Die Mutter ist zu uns gekommen. Sie kriegt jetzt antiretrovirale Aidsmedikamente, aber sie ist nach Hause zurückgegangen. Wo soll sie sonst hin?

Gerechtigkeit für die Opfer ist schwierig. Wen soll man anklagen? Man kennt ja die Identität der Täter nicht."

Henriette Omoy, Beraterin für Opfer sexueller Gewalt im Krankenhaus Heal Africa in Goma, Kongo:

"Wir hatten eine Frau aus Bukavu, die von fünf Militärs vergewaltigt worden war. Drei penetrierten sie vorne, einer hinten und einer oral. Sie ist mit einem vereiterten Rachen gekommen, denn der Soldat, der sie oral vergewaltigte, hat ihr die Nase zugedrückt, damit sie das Sperma schluckt, und so war ihre Nase ganz geschwollen und alles infiziert.

Sie kam mit ihrem Mann, der ihr vorgeschlagen hatte, sich testen zu lassen. Wir haben alle Tests gemacht. Sie war HIV-negativ, aber schwanger. Das war sehr kompliziert, denn da sagte die Frau: Ich würde viel lieber eine Krankheit wie Aids haben als dieses Kind. Ich sterbe lieber, als von der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden.

Unsere Beraterin hat ihr gesagt: Es ist nichts Schlimmes dabei, ein Kind in die Welt zu setzen. Wir werden das Kind für Sie großziehen. Als das Kind geboren wurde, haben wir der Mutter gesagt: Jetzt sollten Sie uns helfen, es zu stillen, wir können das nicht. Also hat sie es gestillt. Dann sagten wir: Es ist besser, sein Kind zu lieben, denn vielleicht kann es dir später helfen, es könnte sogar Minister werden! Also hat sie es angenommen.

Es gibt zwei Arten von Vergewaltigung hier. Die eine ist während eines bewaffneten Konflikts. Da kann man nichts machen, es gibt keine Möglichkeit zur Gerechtigkeit. Erst wenn es Frieden gibt, wird man Anklage erheben können. Das ist nicht heute oder morgen. Die andere Art ist hier in der Stadt: Der große Bruder vergewaltigt seine Schwester zum Beispiel. Diese Fälle können wir an die Justiz weitergeben. Zum Beispiel, wenn das Kind auf dem Weg zur Schule vom Fahrer vergewaltigt wird, dann kennt das Kind den Täter, und die Polizei kann eine Untersuchung einleiten und der Fall kommt vor Gericht. Nicht, dass es dann immer Strafen gibt. Man kann den Täter dann zu zehn Tagen Haft verurteilen, und er läuft weiter frei herum.

Es ist nicht leicht, alle diese Fälle zu verarbeiten. Wir werden ja nicht bezahlt. Die Hilfsorganisation DOCS (Doctors On Call for Service) hat damit angefangen, als sie in den Kirchen einen Aufruf verbreitete, dass sie Frauen sucht, die Würde haben und Beratung machen können. Es gab eine fünftägige Ausbildung, während der wir gemeinsam wohnten und lernten, wie man zusammenlebt mit vergewaltigten Frauen. Das Ziel ist, dass wir alle Frauen aus den verschiedenen ethnischen Gruppen zusammentun, damit hinterher jede wieder von ihrer Gemeinschaft aufgenommen werden kann.

Die große Herausforderung ist die Sensibilisierung. Früher traute sich eine Mutter nicht, zu sagen, dass man sie vergewaltigt hat. Heute fängt sie an, zu reden und ihre Täter zu denunzieren."

Beide Berichte aufgezeichnet in Goma von DOMINIC JOHNSON

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