Generika: EU-Kommissar warnt Arznei-Rebellen

Thailand will Pharmakonzerne zwingen, die Preise lebenswichtiger Medikamente zu senken. Peter Mandelson kritisiert sie dafür - zum Ärger vieler EU-Parlamentarier.

Der alte Streit: Wie viel dürfen lebensrettende Medikamente kosten? Bild: dpa

EU-Handelskommissar Peter Mandelson warnt die thailändische Regierung vor einer Konfrontation mit der Pharmaindustrie über patentgeschützte Medikamente. Das geht aus einem Brief Mandelsons an die thailändische Regierung vor, der der taz vorliegt. Mit dem Schreiben unterstützt der EU-Kommissar die Kritik der Vereinigten Staaten an Thailand. Diese werfen dem ostasiatischen Land vor, die Urheberrechte von Medikamentenherstellern zu verletzen.

Mandelson verfasste den Brief, nur wenige Tage nachdem die thailändische Militärregierung im Juli 2 Millionen Tabletten des Blutverdünnungsmedikaments Plavix bei indischen Herstellern preiswerter Nachahmer-Medikamente (Generika) bestellt hatte. Für die Kopie des Medikamentes von dem Pharmakonzern Sanofi-Aventis bezahlt Thailand nach eigenen Angaben etwa 16 US-Cent pro Tablette. Der Konzern hatte demnach 86 US-Cent pro Tablette verlangt und Mengenrabatte in Aussicht gestellt, die den Preis auf 24 US-Cent pro Tablette gesenkt hätten.

Doch eine Einigung blieb aus. Thailand hob deshalb Anfang des Jahres den Patentschutz für Plavix sowie zwei moderne Aids-Therapeutika der US-Konzerne Abbott Laboratories und Merck auf und forderte eine Preisobergrenze: Demnach sollten die Original-Medikamente maximal 5 Prozent teurer sein als die Kopien. "Dieses Vorgehen beunruhigt die Europäische Union und könnte dem Patentsystem sowie dem medizinischen Fortschritt schaden", schreibt Mandelson in seinem Brandbrief.

Die thailändische Regierung begründet ihr Vorgehen damit, dass sonst die öffentliche Gesundheit des Landes nicht aufrechtzuerhalten wäre. Besondere Maßnahmen in Notfällen sind durch Ausnahmeregeln der Welthandelsorganisation (WTO) gedeckt. Das WTO-Abkommen über geistige Eigentumsrechte (Trips) erlaubt, Zwangslizenzen für Medikamente zu erteilen, sofern die öffentliche Gesundheit gefährdet ist. Die teuren Markenmedikamente können dann durch wirkstoffgleiche Kopien zu einem Bruchteil des Originalpreises ersetzt werden.

Thailand will die zwangslizenzierten Medikamente ausschließlich an bedürftige Patienten verteilen und so den öffentlichen Gesundheitshaushalt um jährlich etwas mehr als 50 Millionen US-Dollar entlasten.

Doch Mandelson widerspricht dem Argument Trips-konformer Zwangslizenzen in seinem Brief ausdrücklich und fordert: "Vor dem Rückgriff auf solch außerordentliche Maßnahmen sollten andere Wege erkundet werden, die die Versorgung mit lebenswichtigen Medikamenten sicherstellen." Stattdessen sollte die thailändische Regierung direkt mit dem Plavix-Hersteller Sanofi-Aventis verhandeln.

Widerspruch erntet Mandelson aus dem EU-Parlament: "Zwangslizenzen sind ein Selbstschutz, wenn einzelne Länder die Patentgebühren nicht bezahlen können", sagte der EU-Abgeordnete Helmuth Markov von der Linksfraktion der taz. Markov ist Unterzeichner eines Antrages von EU-Parlamentariern aller Fraktionen, der den flexiblen Einsatz von Zwangslizenzen fordert. "Thailands Vorgehen ist korrekt, solange kein WTO-Schiedsgericht das Gegenteil feststellt", sagte Markov.

Dabei soll eigentlich auch ein Trips-Zusatzprotokoll helfen, das 2001 eigens abgeschlossen wurde, um armen Ländern Zugang zu Medikamenten zu gewähren. "Doch das Protokoll funktioniert nicht, denn kein einziges Land hat auf dieser Grundlage Generika angefordert", sagt Markov. Derzeit verhandeln EU-Kommission und -Parlament über dessen Verlängerung: "Mandelson hat bisher keinen Vorschlag dazu gemacht", sagte Markov.

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