Fachkräftemangel: SPD hält die Tür zu

Kurz vor der Klausur des Kabinetts verkündet die Bildungsministerin eine neue "Offensive": Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, müsse die Studentenzahl steigen.

Mitarbeiter im Görlitzer Siemens-Werk an einem Turbinenläufer Bild: dpa

Kurz vor der Kabinettsklausur in Meseberg am Donnerstag und Freitag schlagen Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) laut Alarm: Das Bruttosozialprodukt sinkt, weil in vielen Branchen Fachkräfte fehlen! Der Mangel an Ingenieuren, Technikern und Wissenschaftlern könnte schon in diesem Jahr zu einem Wertschöpfungsverlust von bis zu 20 Milliarden Euro führen, hat das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Studie errechnet, die Glos in Auftrag gab.

Um diese Entwicklung zu stoppen, will die Bundesregierung nun eine "Nationale Qualifizierungsoffensive" starten. Die Federführung hat Bildungsministerin Schavan. In einer Beschlussvorlage für die Kabinettsklausur werden "alle Akteure" in Politik und Wirtschaft zu größeren Anstrengungen bei der Ausbildung aufgefordert. Passiere nichts, könnten 2014 bis zu 95.000 Ingenieure und 135.000 Naturwissenschaftler fehlen. Damit die Zahl der Hochschulabsolventen steigt, sollen sich die Universitäten auch für Bewerber ohne Abitur öffnen. Außerdem dürfe es künftig "keinen Campus ohne Kindertagesstätte" geben, heißt es in dem Regierungspapier.

So weit, so einfach für die große Koalition: Da der Bund seine bildungspolitische Kompetenz und Finanzhoheit bei der Föderalismusreform an die Länder abtrat, haben diese Vorschläge eher appellativen Charakter. Da fällt Union und SPD der Konsens leicht.

Umso größer sind die Differenzen in einem Bereich, für den der Bund zuständig ist: die Migrationspolitik. Weil viele Betriebe klagen, dass sie zu wenige geeignete Arbeitskräfte im Inland finden - allein der Ingenieursverband meldete kürzlich 23.000 offene Stellen -, plädiert die CDU-Ministerin Schavan dafür, die Zuwanderung von ausländischen Fachleuten zu erleichtern. Bisher dürfen Bürger von Nicht-EU-Staaten nur dann kommen, wenn sie ein Jahresgehalt von mindestens 85.000 Euro vorweisen. Schavan möchte diese Hürde auf 60.000 oder 40.000 Euro senken. Doch dagegen sperren sich nicht nur traditionell zuwanderungsskeptische Innenpolitiker der Union, sondern auch der SPD.

"Ich denke, dass sich an den Einkommensgrenzen jetzt nichts ändern wird", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz, der taz. "Frau Schavan macht sich zum Sprachrohr der Wirtschaftsinteressen", schimpfte er. "Für uns in der SPD haben die Arbeitslosen in Deutschland den absoluten Vorrang vor jeder Art von Zuwanderung."

Die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft halte er für "sehr vordergründig", sagte Wiefelspütz. "Sie reduziert den Menschen auf eine betriebswirtschaftliche Größe." Dieser Blickwinkel sei "typisch für die Wirtschaft", aber zu eng für die Politik: "Wir haben auch die Integration zu klären, es geht auch um kulturelle Fragen." Es sei bequem für die Wirtschaft, bei Engpässen schnell Menschen aus fernen Ländern zu holen. "Und wenn die Leute dann keine Arbeit mehr haben, dürfen wir, der Staat, die Verantwortung übernehmen. Das geht so nicht."

Das Thema werde bei der Kabinettsklausur besprochen, kündigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm an. Wer sich durchsetzt? Kanzlerin Angela Merkel legt sich, wie so oft, nicht fest. Ihr Sprecher deutete aber Sympathien für Schavans Liberalisierungskurs an: Es sei "von entscheidender Bedeutung", sagte Wilhelm, "ob alle Fachkräfte, die die Wirtschaft braucht, zur Verfügung stehen."

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