Schule: Lehrer werden Leiharbeiter

Physikstudenten zu Lehrern: Im neuen Schuljahr dürfen Schulen erstmals in Eigenregie Aushilfen engagieren. Gewerkschaft warnt vor Qualitätsverlust.

Mit Hilfe von Reservelehrern soll künftig weniger Unterricht ausfallen : DPA

Wenn am Montag das Schuljahr startet, soll die Not beim Vertretungsplan abklingen. Erstmals können die Schulen in Eigenregie Verstärkung anheuern, um LehrerInnen, die plötzlich ausfallen, zu ersetzen. Anstelle der Erkrankten dürfen bis zu drei Monate auch Lehramtsstudenten und Quereinsteiger unterrichten.

Im vergangenen Schuljahr war jede zehnte Unterrichtsstunde vertreten worden oder ausgefallen. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) bezeichnete das neue Projekt als "große Chance": "Wenn Eltern und Schulen am Ende zufrieden sind, ist das gut."

Die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) befürchtet, dass die Qualität des Unterrichts leiden könnte, da die Neulehrer zum Teil keine pädagogische Ausbildung genossen haben, wie GEW-Sprecher Peter Sinram erläutert.

In einem seit Juli freigeschalteten Onlinepool sind derzeit rund 550 Lehrer der Reserve gelistet, darunter Studenten, Teilzeitkräfte und pensionierte Lehrer. 622 Schulen, also über 80 Prozent, wollen die Möglichkeit wahrnehmen und bekommen dafür 3 Prozent des ihnen zustehenden Personalkostenbudgets obendrauf. Zöllner betonte, dass trotz spürbar sinkender Schülerzahlen 450 Lehrerstellen in diesem Schuljahr neu besetzt werden. Das sichere eine 100-prozentige Unterrichtsversorgung, versicherte Zöllner. Nach Berechnungen der GEW kommen jedoch nur 300 neue Lehrer in den Schulen an. Die restlichen Stellen würden einfach von Teil- in Vollzeitstellen umgewandelt. Dadurch ließen sich Ausfall- und Vertretungsstunden noch nicht kompensieren, so Sinram.

Nächste Woche werden rund 25.000 Mädchen und Jungen eingeschult. Etwa 40 Prozent der Eltern bezahlen den Schulranzen vom Hartz-IV-Regelsatz, wie aus einer Anfrage der Linken hervorgeht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund und die GEW fordern den Senat deshalb auf, Geld für einen Fonds bereitzustellen, aus dem Schulessen und Schreibmaterial für Kinder arbeitsloser Eltern bezahlt werden. Eine Einschulung koste etwa 180 Euro, im Hartz-IV-Regelsatz sind aber lediglich 1,64 Euro monatlich für Schreibwaren und 79 Cent täglich für Schulessen vorgesehen. Andere Kommunen haben solche Fonds schon eingerichtet, München erstattet bis zu 100 Euro für Schulanfänger.

Auch die Grünen fordern, einkommensschwache Eltern von Bildungsausgaben zu entlasten. Die bildungspolitische Sprecherin der Linkspartei, Margrit Barth, sagte, ihre Fraktion habe das Problem auf der Agenda. "Wir erarbeiten gerade ein Modell und prüfen die Rechtsgrundlage." SPD-Bildungsexpertin Felicitas Tesch unterstützt die Idee. "Aber man muss erst mal gucken, woher das Geld kommen soll." Nach den Sommerferien beginnen die Haushaltsverhandlungen.

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