Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Künftig muss man nicht mehr arm sein, um lieblos zu Tode verwaltet zu werden. Oder um keine Schulbildung zu bekommen. Und: Wir sollten die Bundesligasaison noch mal anzufangen.

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ich musste das Licht wieder ans Fahrrad montieren.

Was wird besser in dieser?

Mich fahren weniger Autos an.

Heute werden die Kandidaten für den Deutschen Fernsehpreis bekannt gegeben. Wer soll was bekommen?

Sat.1 in der Kategorie "Extrem kurze Kurznachrichten". Die ARD für die kritischen Dopingenthüllungen über die ZDF-Tour de France. Und umgekehrt. WDR und NDR für hohen Unterhaltungswert im Jauch-Schacher ("Wer kriegt Millionär?"). Pro7 und Kabel1 für Nicht-weiter-Auffallen. RTL für alle Sendungen ohne Bohlen.

Morgen veranstaltet die CDU einen Kongress zu ihrem Grundsatzprogramm. Braucht Merkel das überhaupt? Schließlich wird sie für ihren Pragmatismus viel gelobt, aber nicht für ihre deutlichen Ziele.

Immerhin ist sie Kanzlerin, weil sie einen Wahlkampf lang Neoliberalismus und Marktradikalismus predigte - (Merz, "Neue Marktwirtschaft"-Lobby, Kirchhof) - um all dies im entscheidenden Moment nie gekannt zu haben. Übrig blieb, dass sie mit der Programmdebatte als Mittel Blüm, Geißler und allerhand Genmaterial der katholischen Soziallehre aus dem Weg geräumt hatte. Um dann mit den Sozis in etwa längs der katholische Soziallehre zu regieren.

Am Mittwoch ist der 30. Jahrestag der Schleyer-Entführung, die den Beginn des Deutschen Herbstes markiert. Was können wir 2007 aus der Auseinandersetzung mit der RAF lernen?

Der Vergleich ist heikel, doch ich meine schon: Die Gefechtsstandmentalität, in der den Wehrmachtveteranen von Schmidt bis Strauß plötzlich wieder Nazi-Schulterklappen wuchsen, war nichts anderes als ziemlich präzise das, was die RAF-Psychopathen wollten: Endlich mal Mama und Papa zeigen, dass sie aber den Adolf totgemacht hätten. So gesehen ist Bush und waren Quislinge der Dummheit wie Blair und Konsorten recht genau das, was der moderne Taliban braucht. Und man ihm verweigern sollte. Die Lehre aus diesem deutschen Terror hieß am Ende: Vollmer/Nickel- und Kinkel-Initiative. Mag naiv wirken, aber dümmer als das Irak-Desaster kann es nicht sein.

In deutschen Pflegeheimen herrschen teilweise schreckliche Zustände. Das ist bekannt, scheint aber erst jetzt ein Aufreger zu werden. Warum?

Vielleicht ist das am Lebensende ähnlich wie am Anfang : Deutschland ist auf soziale Staffelung von Lebenschancen spezialisiert, und solange nur arme Kinder und prekäre Alte in der Not landen, isses auch egal. Der dynamische Faktor in der Alterungsstatistik lässt ahnen, dass man künftig nicht arm sein muss, um lieblos zu Tode verwaltet zu werden. Man muss ja auch nicht mehr arm sein, um keine Schulbildung zu bekommen. Übrigens lohnt es, einen Moment darüber nachzudenken, dass es sich bei den Schulen wie den Pflegeheimen um Räume handelt, die dem Medium Fernsehen verschlossen sind. Meist darf man nicht drehen, und wenn doch, ist längst alles aufgeräumt. Keine Ursache, aber ein Aspekt der Frage, warum das Thema lange schwelte.

Ulla Schmidt will eine zehntägige bezahlte Pflegezeit und Sonderurlaub für Angehörige, die einen Pflegefall in der Familien haben. Ist das nötig?

Absolut.

Die Union meint: Das ist unbezahlbar. Zu Recht?

Natürlich ist es unbezahlbar, deshalb meint die Union vermutlich, dass es wenigstens sehr, sehr gut bezahlt werden sollte.

Woran fehlt es mehr: an Konzepten und Geld für bessere Pflege von Alten oder am Bewusstsein, dass dies ein zentrales Problem einer älter werdenden Gesellschaft ist?

Tja. Ideal wäre "Pflege" ja die Hälfte eines Austausches, dessen anderer Teil "Lehre" hieße. Heißt: Schon ab der Definition, die dann gern mit Horrorbildern körperlicher Auflösung, geistiger Demenz, seelischer Abwesenheit einhergeht - ist der Begriff falsch. Minimal braucht eine Gesellschaft die Chance, ohne schlechtes Gewissen mit ihrem Seniorat umzugehen. Berufe, die einen am würdigen und liebevollen Umgang hindern, sind da eher ein Problem. Wir reden null Komma null über das, was die Älteren den Jüngeren geben. Das macht die Definition von "Pflege" untauglich.

Und was macht Borussia Dortmund?

Braucht auch Sonderurlaub und Pflegezeit. Oder können wir nicht die Saison noch mal ganz von vorne ?

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