DDR-Aufarbeitung: Kampf um die Stasi-Akten

Die Bundesregierung will die Akten der Birthler-Behörde mittelfristig in andere Archive überführen. Doch die Behördenchefin wehrt sich.

"Auflösung frühestens 2019": Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde, Marianne Birthler Bild: dpa

Sie wehrt sich noch. Die Chefin der Stasiunterlagenbehörde, Marianne Birthler, hat sich am gestrigen Mittwoch in Berlin gegen ein baldiges Ende ihrer Einrichtung ausgesprochen. "Eine Auflösung oder Transformation sollte es frühestens 2019 geben", sagte sie. Damit wandte Birthler sich gegen einen Gesetzentwurf von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU), der die Akten der Behörde "mittelfristig in die allgemeinen Archive" eingliedern will.

Dieser Entwurf wurde zwar bereits Anfang Juli vorgelegt, damals stand aber die Sommerpause des Bundestages kurz bevor, sodass sich der Streit über die Zukunft der Birthler-Behörde erst jetzt voll entfalten kann. Konflikte sind absehbar, denn Neumann will die Übergabe der Stasi-Akten an Bundes- und Landesarchive nicht mehr allzu lange aufschieben. Außerdem soll die Unterlagenbehörde seinen Plänen nach ihre Bildungsarbeit einstellen und der Bundeszentrale für politische Bildung und der Bundesstiftung Aufarbeitung überlassen.

Birthler antwortete mit einer 19-seitigen Stellungnahme für den Kulturausschuss des Bundestages, der das Thema demnächst behandeln wird. Darin fordert Birthler erst einmal über die "rechtlichen und aufarbeitungspolitischen Konsequenzen" nachzudenken, bevor es eine Entscheidung über die Zukunft ihrer Behörde gibt.

Denn die Entscheidung, die Stasi-Akten in ein anderes Archiv zu geben, ist rechtlich heikel. Für die Herausgabe der Dokumente musste nach der Wende extra das Stasiunterlagengesetz geschaffen werden, weil man sie mit dem normalen Archivrecht nicht hätte zugänglich machen können. Das liegt unter anderem daran, dass die Erkenntnisse in den Akten fast ausschließlich personenbezogen sind und oft unter dem Einsatz grundrechtswidriger Mittel - wie Folter oder exzessives Ausspähen - gewonnen wurden. Da viele der Betroffenen noch leben, schätzen Juristen die Lage heute ähnlich schwierig ein wie Anfang der 90er-Jahre. "Die Folge einer Überführung in ein anderes Archiv könnte sein, dass die Akten für die Forschung überhaupt nicht mehr zugänglich sind", sagte Birthler.

Zwischen baldiger Auflösung und langem Weiterbestehen gibt es auch Kompromissvorschläge. So befürwortet Martin Sabrow, Vorsitzender der noch von Rot-Grün eingesetzten Kommission "Aufarbeitung der SED-Diktatur", zwar die Übergabe der Akten. Er fordert jedoch, dass die Kompetenz der Birthler-Behörde zum Thema staatliche Überwachung bewahrt wird. "Die Wissenschaftler und Mitarbeiter in der Behörde haben bei all den bekannten Schwächen ein großes Wissen über die Staatssicherheit erworben", sagte Sabrow der taz. "Es wäre ein schwerer Fehler, wenn dieses Wissen nicht weiter zur Verfügung stünde." Er schlägt ein Ausstellungs- und Bildungszentrum zum Thema Geheimpolizei vor. "Das hätte europaweite Ausstrahlung", glaubt Sabrow, "schon heute nutzen viele Staaten aus Mittel- und Osteuropa die Kompetenz der Birthler-Behörde für die Aufarbeitung der Diktaturen auf ihrem Boden."

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