Wahl: Sierra Leone vor Machtwechsel

Die Opposition liegt bei den Präsidentschaftswahlen vorn. Die bisherige Regierungspartei will ihre Niederlage allerdings gerichtlich stoppen lassen.

Frust über ausbleibende Arbeitsplätze in Sierra Leone: Mädchen vor Wahllokal : dpa

GOMA taz Vor fünf Jahren war die Sierra-Leonische Volkspartei (SLPP) noch obenauf in Sierra Leone, Siegerin eines zehnjährigen Bürgerkriegs und Gewinnerin der ersten freien Wahlen nach dem Krieg. Jetzt erlebt sie ihre letzten Tage an der Macht: Die oppositionelle APC (All Peoples Congress) hat die Stichwahl um die Präsidentschaft mit größter Wahrscheinlichkeit gewonnen.

Nach Auszählung von 76 Prozent der Stimmen lag APC-Kandidat Ernest Bai Koroma Ende letzter Woche mit rund 60 Prozent klar vor dem SLPP-Kandidaten und bisherigen Vizepräsidenten Soloma Berewa mit rund 40 Prozent. Wenn heute die nächsten Teilergebnisse veröffentlicht werden, dürfte der Machtwechsel feststehen.

Es ist ein erstaunliches Comeback für eine Partei, die Sierra Leone lange Zeit als korrupte Einparteiendiktatur führte. Aber die SLPP trieb das Land in den 80er-Jahren noch tiefer in die Wirtschaftskrise und in einen der grausamsten Bürgerkriege Afrikas. Die SLPP ging aus dem Krieg siegreich hervor. Seit Ende der Kämpfe 2001 ist das Land zwar politisch stabil, stagniert aber wirtschaftlich. Nun bietet die APC die Möglichkeit zu einem Neuanfang.

Der Frust über ausbleibende Arbeitsplätze in dem 5,7-Millionen-Einwohner-Land, trotz seines Mineralienreichtums eines der ärmsten der Welt, war wohl der Hauptgrund für den Erfolg der APC. Sie gewann die erste Runde der Präsidentenwahl mit 44 Prozent und konnte für die Stichwahl am 8. September auch Verbündete aus Gebieten um sich sammeln, in denen sie bisher nicht stark war.

Nach den bisherigen Ergebnissen hat die APC in der Hauptstadt Freetown sowie im Norden und Westen abgeräumt, die SLPP im Süden und Osten, also dem früheren Bürgerkriegsgebiet mit Diamantenminen. Das entspricht der historischen ethnisch-regionalen Teilung des Landes. Allerdings haben die EU-Wahlbeobachter festgestellt, dass in den SLPP-Hochburgen am meisten geschummelt wurde. Sierra Leones unabhängige Wahlkommission sah sich zu der Klarstellung genötigt, dass Ergebnisse aus Wahlbüros, in denen die offizielle Wahlbeteiligung höher liegt als 100 Prozent, annulliert werden müssen. Die SLPP sieht sich nun ungerecht behandelt und beantragte vor dem obersten Gericht einen Stopp der Auszählung. Darüber soll heute entschieden werden.

Der Schritt alarmierte das Ausland, denn eine Wahlannullierung dürfte das Land in eine politische Krise stürzen. Im APC-treuen Freetown wurde die SLPP-Parteizentrale angegriffen. Internationale Diplomaten üben Druck auf die SLPP auf, ihren Antrag zurückzuziehen.

Der siegessichere APC-Kandidat Koroma hält sich zurück. In einem Interview kündigte der 53-jährige Versicherungsfachmann und Christ aus dem mehrheitlich muslimischen Norden Sierra Leones, einen harten Kampf gegen Korruption und eine Wende in der Wirtschaftspolitik an, weg von Staatsverträgen mit internationalen Bergbaufirmen hin zur Förderung der lokalen Privatwirtschaft. "Wir müssen dieses Land wie ein Unternehmen führen", sagte er. "Wir wollen eine Verschiebung weg vom Bergbau hin zu Landwirtschaft und Tourismus." Er ließ auch erkennen, er könne zur Vermeidung einer weiteren politischen Polarisierung eine Regierung der Nationalen Einheit bilden.

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