Schleswig-Holstein: Den Innenminister kielholen

Die große Koalition in Kiel steht vor dem Bruch. Die Union fühlt sich vor allem von SPD-Innenminister Stegner provoziert, der gerne mit markigen Worten auftritt.

Brüskiert gerne mal die CDU: Ralf Stegner von der SPD Bild: dpa

KIEL taz Vor einigen Wochen scherzte ein Kieler Politiker: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) trüge stets eine Entlassungsurkunde für seinen Innenminister Ralf Stegner (SPD) bei sich, nur das Datum müsse noch eingefügt werden. Aus dem Scherz ist jetzt Ernst geworden.

Am Wochenende spitzte sich die Koalitionskrise der schwarz-roten Regierung zu. Carstensen forderte die SPD auf, Stegner abzurufen, berichtete das Flensburger Tageblatt. Am gestrigen Montag kamen die Parteispitzen zusammen, um die angeknackste Beziehung zu retten - wieder einmal.

Der Streit Carstensen-Stegner ist nicht neu. Seit Stegner zum SPD-Landesvorsitzenden gewählt wurde und als wahrscheinlicher Spitzenkandidat für den Landtagswahlkampf 2010 gilt, brodelt es. Die CDU-Fraktion fühlte sich von Stegners Versuchen, von Vereinbarungen abzuweichen, immer wieder provoziert. "Wir werden in der Koalition nicht der brave Juniorpartner", hatte Stegner bereits 2005 angekündigt - und hielt Wort.

Auslöser des aktuellen Konflikts war ein Auftritt Stegners im Landtag. Dabei hatte sich Stegner dafür ausgesprochen, die in der Koalition vereinbarte Beteiligung der Eltern an den Schulbeförderungskosten abzumildern - ein Auftritt, den die CDU als erneuten Affront auffasste.

Jedoch geht es bei dem Konflikt nur teilweise um Sachfragen. Es geht auch um den Zusammenprall zweier unterschiedlicher Charaktere. Carstensen, 60 Jahre alt, Ministerpräsident, scheut nicht vor Bierzeltauftritten zurück, ist fröhlicher Mittelpunkt jeder Runde, zeichnet jeden Jubilar persönlich aus. Im Kabinett, so berichten Teilnehmer, schafft er es meist, für Konsens zu sorgen. Ein wichtiges Ziel dieser Legislaturperiode ist, die erdrückende Schuldenlast des Landeshaushaltes zu lindern - notwendig, aber als Thema unsexy.

Stegner dagegen ist mit 47 Jahren im besten Politikeralter. In seiner Planung dürfte das Kieler Innenministerium nicht das Ende des Weges sein. Er gehört zu den wenigen Nord-Politikern, die auf Bundesebene auffallen, unter anderem bei Debatten um Einwanderung oder Sicherheitspolitik. Stegner denkt taktisch: Um bei den anstehenden Wahlen - auf Kommunalebene 2008, im Land 2010 - gegen den beliebten Carstensen gut abzuschneiden, muss er Punkte sammeln, und dabei darf es auch gern mal knallen. Für Stegner gehören scharfe rhetorische Attacken zum politischen Spiel. Für Carstensen sind sie Vertrauensbrüche, durch die er sich persönlich angegriffen fühlt.

Während am gestrigen Montag die Opposition Neuwahlen forderte, betonte Stegner, die SPD wolle das Bündnis fortsetzen. Er hatte sich Ende vergangener Woche zu einer Erklärung durchgerungen, in der er seine Äußerungen zur Schülerbeförderung abschwächte. Der CDU ging die halbe Entschuldigung nicht weit genug. Am gestrigen Montag tagten die Unions-Spitzen. Am Abend beschäftigten sich die Delegierten eines CDU-Parteitages weiter mit der Lage der Koalition.

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