Kommentar Schleswig-Holstein: Zu wenig Harmoniesucht
Schleswig-Holsteins SPD-Chef, Innenminister Ralf Stegner, schadet seiner eigenen Partei. Harmoniesucht und Konfliktscheuheit sind nicht gerade seine wesentlichen Charakterzüge.
S chleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner hat es übertrieben. Und damit seiner SPD und seiner eigenen Karriere geschadet. Und doch ist fraglich, ob die Partei eine Alternative zu Stegner als Spitzenkandidaten bei der Wahl Anfang 2010 hat. "Rambo-Ralf" wird es wohl versuchen dürfen, seine Erfolgschancen allerdings sind nicht gestiegen.
Von Anfang an hatte in Kiel die große Koalition zweier nahezu gleichstarker Fraktionen das Problem, an einem Patt vorbeizubalancieren. Bei 30 Schwarzen und 29 Roten im Landtag gibt es nicht wirklich einen Juniorpartner. Und dazu würde Stegner sich auch nicht eignen, wenn er es faktisch wäre. Harmoniesucht und Konfliktscheuheit sind nicht gerade seine wesentlichen Charakterzüge.
Im aktuellen Streitfall jedoch hat sich der Harvard-Politologe vollkommen verspekuliert. Zu einem Zeitpunkt, an dem die CDU in Meinungsumfragen weit vorne liegt, hätte er seine regelmäßigen Nadelstiche und Hänseleien lassen sollen. Er tat es nicht, und zur Strafe muss er nun zurücktreten.
Aus der Position der Stärke heraus erzwang Ministerpräsident Peter Harry Carstensen einen Rücktritt Stegners auf Raten. Die Alternative wären vorgezogene Neuwahlen gewesen, und aus denen wären die Sozialdemokraten wohl geschwächt hervorgegangen.
Jetzt muss Stegner zusehen, wie er sein ramponiertes Ansehen in der Partei wieder aufpoliert. SPD-Vorsitzender ist er zwar seit März, aber im Landtag braucht er noch eine Bühne für die direkte politische Profilierung. Am einfachsten wäre ein Ämtertausch mit Fraktionschef Lothar Hay: der würde Innenminister und Stegner Oppositionsführer in der Koalition.
Wenig überzeugend ist Stegners Behauptung, er habe ohnehin nächstes Jahr aus dem Kabinett ausscheiden wollen, um als SPD-Spitzenkandidat besser Wahlkampf machen zu können. So gesehen, müssten etliche Regierungen vor Wahlen platzen. Und Außenminister Willy Brandt hätte 1969 nicht Bundeskanzler werden können. Aber: Nicht jeder kann einer wie Willy sein.
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