Neue Studie: Rasterfahndung ist nutzlos

Die Rasterfahndung galt als effizient-unheimliche Suchmethode. Eine Studie zeigt: Sie wird nicht häufig angewandt und führt selten zum Täter.

... und manchmal gehören Daten auch der Polizei: beim Rasterfahnden. Bild: reuters

Die sogenannten Rasterfahndungen sind kein kriminalistisches Wundermittel. Und die rechtsstaatlichen Sicherungen dagegen funktionieren auch nicht richtig. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Freiburger Max-Planck-Instituts für Strafrecht und Kriminologie. Der Autor Dirk Pehl hat alle dreißig Rasterfahndungen ausgewertet, die von der Polizei seit 1992 durchgeführt wurden. "Bisher entbehrte die rechtspolitische Diskussion jeder empirischen Grundlage", sagt Pehl.

Bei der Rasterfahndung kennt die Polizei noch nicht den Täter, sondern nur bestimmte Merkmale. Mit diesem Raster gleicht sie eine oder mehrere nichtpolizeiliche Datensammlungen ab. Die ausgesiebten Personen werden dann offen befragt oder heimlich überwacht. Meist sucht die Polizei in den Computern der Einwohnermeldeämter oder beim Kraftfahrtbundesamt, erstaunlich selten bei privaten Unternehmen wie Banken oder Versandhändlern.

Ein Beispiel: Auf der Suche nach Terroristen (gemeint ist wohl die späte RAF) hat die Polizei die Daten der Meldebehörden mit denen der Energieversorger abgeglichen. Die Ermittler vermuteten, dass die Gesuchten in konspirativen Wohnungen Strom und Gas bar bezahlen, aber zugleich nicht am Wohnort gemeldet sind. Die Fahndung blieb erfolglos. Allerdings war der RAF-Terrorist Rolf Heißler 1979 mit dieser Methode gefasst worden - das war vor der offiziellen Einführung des Rasterns.

Erst 1992 wurde für Rasterfahndungen eine ausdrückliche Regelung in der Strafprozessordnung geschaffen. Politisch wurde dies mit dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK) begründet. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nur zwei der dreißig seither angeordneten Rasterfahndungen haben einen OK-Hintergrund, drei weitere dienten der Terrorfahndung. In der Regel geht es um Schwerkriminalität wie Mord, Totschlag und Sexualdelikte.

Nur vier der untersuchten Rasterfahndungen führten zum Täter, die Erfolgsquote beträgt damit nur 13 Prozent. Weitere 58 Prozent der Fälle stuft Pehl als "bedingt erfolgreich" ein, weil sich zumindest weitere Ermittlungsansätze ergaben. Die Stärken der Rasterfahndung sieht Pehl bei der Vorbereitung von DNA-Reihentests. "Mit einer Rasterung im Vorfeld kann die Zahl der Personen, die zum Beispiel nach einem Sexualmord zum Gentest geladen wird, deutlich reduziert werden, das ist grundrechtsfreundlich." Immerhin drei der vier im Ergebnis erfolgreichen Rasterfahndungen bereiteten einen DNA-Reihentest vor, der den Täter dann entlarvte.

Laut Gesetz müssen Rasterfahndungen gerichtlich abgesegnet werden. In 60 Prozent der Fälle jedoch haben Richter Anträge der Staatsanwaltschaften unverändert übernommen. Pehl hat deshalb "erhebliche Zweifel an der Ausübung der richterlichen Kontrollpflicht".

Auch die Benachrichtigung der Betroffenen klappt nicht richtig. In zwei Drittel der Fälle wurden Personen, gegen die anschließend ermittelt wurde, nicht von der Rasterfahndung unterrichtet. Selbst die vorgeschriebene Mitteilung an den zuständigen Datenschutzbeauftragten fand nur in vier von dreißig Fällen statt, am korrektesten war dabei die Bundesanwaltschaft.

Vor allem technische Probleme sorgen dafür, dass die Rasterfahndung nicht häufiger angewandt wird. Weil viele Meldeämter mit veralteter Software arbeiten, ist es oft sehr aufwändig, die gelieferten Daten in ein "abgleichfähiges Format" zu bringen.

Pehl geht allerdings davon aus, dass es in der Praxis viel mehr Rasterfahndungen gibt, als offiziell vermerkt. "Oft bittet die Polizei um freiwillige Kooperation und die datenführende Stelle gibt ihre Daten dann ohne richterlichen Beschluss heraus", hat Pehl erfahren. In der Statistik gilt der Vorgang dann nicht als Rasterfahndung.

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