Gerichtsprozess: Algerier soll Flüchtlinge ausspioniert haben
Ein Mitarbeiter der algerischen Botschaft steht als Spion vor Gericht: Ihm wird vorgeworfen, Deserteure an den Geheimdienst verraten zu haben.
Er sei Büroangestellter, antwortet der Angeklagte auf die Frage des Vorsitzenden Richters vor dem Kammergericht. Doch Staatsanwalt Bruno Jost sieht in Lakhdar A. keinen harmlosen Angestellten der Konsularabteilung der algerischen Botschaft: Er wirft ihm geheimdienstliche Agententätigkeit für den algerischen Nachrichtendienst vor.
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat der 45-jährige A. zwischen Dezember 2005 und Mai 2006 Informationen über algerische Oppositionelle in Berlin beschafft. Dabei soll er auch Informationen aus Akten der Ausländerbehörde an einen Verbindungsoffizier in der Botschaft weitergegeben haben. Den Oppositionellen drohe Gefahr vom algerischen Geheimdienst, sagt der Staatsanwalt. So müsse einer der Ausspionierten, ein von der algerischen Armee desertierter Major, in seiner Heimat mit der Todesstrafe rechnen.
Aufmerksam wurden die Behörden auf den Angeklagten durch Telefonate, die er mit dem Handy führte. Sechs Monate lauschte das BKA, nun hat ihn die Bundesstaatsanwaltschaft zum Verhör geladen. Der Angeklagte zeigt sich kooperativ, drei Stunden lang gibt er dem Gericht Auskunft über seine Tätigkeit. Seit zehn Jahren arbeitet er für die algerische Botschaft. Einen Beruf hat er nicht erlernt, seit zwölf Jahren besitzt er die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Sprache seiner Wahlheimat spricht er leidlich gut. Als sogenannte Ortskraft ohne diplomatische Immunität war er unter anderem für Identitätsklärungen von Asylbewerbern zuständig. Er habe viele Marokkaner, Libyer oder Tunesier als falsche Algerier enttarnt und Deutschland damit Millionen erspart, sagt der Angeklagte später auf dem Flur. Das würdige der Staatsanwalt nicht.
Zu einer Angestellten der Zentralen Ausländerbehörde Brandenburg pflegte der verheiratete Familienvater ein nicht nur dienstliches Verhältnis. Sie versorgte ihn mit Informationen, die sie den Akten ihrer Behörde in Eisenhüttenstadt entnahm. Die Beziehung zu dieser Frau habe er inzwischen beendet.
Über diese Frau versuchte A. im Dezember 2005, den Aufenthaltsort des desertierten Majors H. zu erfahren. Dessen Mutter sei schwer erkrankt, habe der Offizier des algerischen Nachrichtendienstes sein Interesse begründet, sagt Lakhdar A. dem Gericht: "Er war wie ein Hund hinter H. her. Er hat sehr viele Leute nach ihm gefragt." Ob ihm der Aufwand nicht übertrieben vorgekommen sei, will der Vorsitzende Richter von A. wissen. "Es ist üblich, dass Aufwand betrieben wird, um Angehörige zu finden", antwortet der; das gehöre zu seiner Arbeit. Dem Offizier gelang es dennoch nicht, die Adresse des Desertierten herauszufinden. Später soll H. als Zeuge vor Gericht aussagen. Zu seiner Verteidigung sagt A., er habe nicht gewusst, dass der Offizier für den Geheimdienst arbeite. Man habe darüber gemunkelt, aber offiziell sei der Mann, der hier diplomatische Immunität genoss, für die Sicherheit der Botschaft zuständig gewesen. Vor wenigen Wochen ist er zurück nach Algerien gereist.
Der Angeklagte bestreitet, dem Offizier Kontakte zu "Kennern der islamistischen Szene" beschafft zu haben, wie die Anklage formuliert - er habe ihm nur eine Unterkunft bei Landsleuten in Bremen vermittelt.
Das Gericht befragt schließlich einen weiteren Algerier als Zeugen, der als Übersetzer die Website der Botschaft betreut hat. "Ich glaube nicht, dass der algerische Geheimdienst einen so mittelmäßig intelligenten Herrn wie Herrn A. einstellen würde", sagt er.
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