Ecuador: Große Wahlzettel, große Reformen

Ecuador tritt in die sozialistischen Fußstapfen von Venezuela und Bolivien - und wählt einen eigenen Verfassungskonvent.

Jungenhafter Präsident: Rafael Correa Bild: dpa

PORTO ALEGRE taz Wenn die EcuadorianerInnen am Sonntag zum vierten Mal innerhalb eines Jahres zu den Urnen gehen, stehen sie vor einer besonderen Herausforderung. Sie bekommen zwei stattliche Wahlzettel ausgehändigt. Der landesweite ist 8 mal 45 Zentimeter groß; 624 der insgesamt 3.329 Kandidaten für die Verfassunggebende Versammlung sind darauf mit Namen und Konterfei abgebildet, 24 sollen angekreuzt werden. Auf dem zweiten Wahlzettel werden 100 weitere Abgeordnete über Provinzlisten gewählt, sechs von Auslandswählern.

Die Wahlzettel zeigen ziemlich gut, was sich die seit Jahresbeginn amtierende Linksregierung vorgenommen hat: eine "Bürgerrevolution", die das Andenland mit seinen rund 14 Millionen Menschen aus der "langen neoliberalen Nacht" herausführen soll. So hat es der jungenhafte Präsident Rafael Correa immer wieder betont.

Die Chancen, dass ihm das Wahlvolk grünes Licht dafür gibt, stehen nicht schlecht. Die konservative Opposition hat im letzten Jahr kaum Boden gutmachen können.

Wie Hugo Chávez in Venezuela strebt Correa einen recht nebulösen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" an, wie der Bolivianer Evo Morales schwärmt er von einer "Neugründung" des Landes. In jedem Fall gehört dazu eine Schwächung des gewählten Parlaments und eine Stärkung des Staats in der Wirtschaftspolitik. Die Deviseneinkünfte aus den Ressourcenexporten sollen über Sozialprogramme vor allem den bislang Ausgegrenzten zugute kommen - mehr als die Hälfte der Bevölkerung gilt als arm.

Für die Linke ist die neue Verfassung ein Hebel zur Entmachtung des bisherigen Establishments. Angestrebt werden "demokratische Institutionen, die solide, transparent und unabhängig von faktischen Mächten" sind - was das genau bedeutet, muss sich allerdings erst noch zeigen. Am liebsten würde Correa den derzeitigen Kongress auflösen lassen, in dem er über keine Hausmacht verfügt.

Chávez wie Morales hatten ebenfalls bald nach ihren ersten Wahlsiegen eine Verfassungsversammlung wählen lassen. In Venezuela glückte das Projekt 1999 - doch derzeit lässt Chávez das Grundgesetz gerade erneut reformieren, um seine unbegrenzte Wiederwahl zu ermöglichen. In Bolivien haben sich Regierung und bürgerliche Opposition letzte Woche darauf verständigt, die seit August 2006 anhaltende Blockade zu überwinden. Eine Garantie für eine neue Verfassung ist das aber noch nicht.

Die indigenen Volksbewegungen, die einen großen Anteil an Ecuadors Linkswende haben, unterstützen das Projekt Verfassungskonvent, um ihre Rechte zu stärken. Allerdings finden sich nur 15 ihrer prominenten Vertreter auf verschiedenen linken Listen wieder. Noch liegt den Indígenas ihre zeitweilige Beteiligung an der Regierung des 2005 geschassten Expräsidenten Lucio Gutiérrez im Magen. Das Misstrauen gegen die Parteien und Wahlkämpfe bleibe groß, meint die Aktivistin Blanca Chancoso und kündigt eine kritische Begleitung des Verfassungsprozesses an: "Wir haben unsere eigene Art, Politik zu machen."

Humberto Cholango vom Verband Ecuarunari wünscht sich Ecuador als "Vielvölkerstaat, in dem unsere gemeinschaftlich ausgerichteten Lebens- und Wirtschaftsformen endlich anerkannt werden". GERHARD DILGER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.