Kommentar Ukraine-Wahl: Vermächtnis der Revolution

Julia Timoschenko profitiert von ihrem Charisma - davon, dass die Ukrainer den Machtkampf zwischen Juschtschenko und Janukowitsch satt haben.

Siegerin der Parlamentswahlen in der Ukraine ist Julia Timoschenko. Die frühere Premierministerin und Oppositionspolitikerin kann sich freuen, egal wie die Wahlen nun genau ausgehen mögen. Die Tatsache, dass ihre Partei BJUT um satte zehn Prozent zulegen konnte, hat mehrere Gründe: Zum einen hat die charismatische Timoschenko wie keiner ihrer Konkurrenten von dem extrem personalisierten Wahlkampf profitiert.

Zum andern sind die Wähler des monatelangen und lähmenden Machtkampfs zwischen Staatspräsident Wiktor Juschtschenko und Regierungschef Wiktor Janukowitsch überdrüssig. Der erneute Versuch der Partei der Regionen - Gegnerin der orangenen Revolution - in bewährter Manier den Osten gegen den Westen des Landes auszuspielen, verfängt nicht mehr. Der Ankündigung von Janukowitsch, die Bürger in Referenden über die Neutralität der Ukraine und die Entführung des Russischen als zweite Amtssprache entscheiden zu lassen, können allenfalls seine Stammwähler im Osten noch etwas abgewinnen. Als Mittel, um sich neue Wählerschichten zu erschließen, taugt derlei "Geklapper" nicht.

Doch es gibt einen zweiten Sieger neben Julia Timoschenko - die ukrainische Demokratie. Anderslautenden Gerüchten zum Trotz scheinen Fälschungen im großen Umfang ausgeblieben zu sein. Dass die Politiker in der Ukraine - anders als 2004 - ohne schmutzige Tricks arbeiten, ist ein Vermächtnis der "orange Revolution".

Sollten BJUT und die Partei von Staatschef Juschtschenko wirklich die Mehrheit der Sitze im Parlament erreichen und die neue Regierung bilden, wird Juschtschenko um Timoschenko als Regierungschefin kaum herumkommen. Zwar steht außer Frage, dass die BJUT-Chefin nicht Juschtschenkos Wunschkandidatin ist. Und ein Paktieren des Präsidenten mit der Gegenseite wäre auch kein Novum in der politischen Geschichte der Ukraine. Doch Juschtschenko sollte gewarnt sein: Einen solchen Seitenwechsel würden ihm die Wähler nach diesem Ergebnis beim nächsten Mal garantiert nicht mehr durchgehen lassen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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