Streit über Arbeitslosengeld I: Alten geben, Jungen nehmen?

Auch die Union ist für eine längere Auszahlungszeit des ALG I - die Frage ist nur, wie man diese finanziert. Einig ist sich die Koalition zudem über niedrigere Lohnnebenkosten.

Arbeitslosengeld I gibts so kurz, dass manche dafür schnell rennen Bild: dpa

BERLIN taz Es ist schon merkwürdig: Noch bevor sich die SPD selbst beim Thema Arbeitslosengeld I geeinigt hat, mehren sich die Anzeichen dafür, dass innerhalb der großen Koalition ein Kompromiss möglich wäre. Und ausgerechnet das gestrige Treffen von Parteichef Kurt Beck und Vizekanzler Franz Müntefering hatte einen neuen Impuls parat. Denn ein Punkt, auf den sich die beiden Streithähne dann doch noch einigen konnten, dürfte die Union ganz besonders gefreut haben: Angesichts des Überschusses der Bundesagentur könnten die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, so Beck, zum Jahresbeginn 2008 stärker als bislang vorgesehen auf 3,5 Prozent gesenkt werden - zusätzlich zu der von ihm geplanten längeren Zahldauer für Ältere beim ALG I. "Da kommen wir nicht in Schwierigkeiten", versicherte der SPD-Chef.

Die stärkere Reduzierung war bislang immer eine Kernforderung der Union gewesen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte der Lohnnebenkostensenkung jüngst sogar "allerhöchste Priorität" eingeräumt. Davor brauche man über den Beck-Vorstoß überhaupt nicht zu diskutieren, so das Credo.

Die SPD-Spitze hat sich bei ihrem Treffen in Mainz grundsätzlich auf ein neun Punkte umfassendes sozialpolitisches Gesamtpaket geeinigt. So soll von 2008 bis 2011 jährlich eine Milliarde Euro zusätzlich vor allem für ältere Arbeitslose aus der Arbeitslosenversicherung bereitgestellt werden. Geplant sind außerdem Initiativen für Fort- und Weiterbildung sowie die bessere Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Von Januar an soll zudem der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung von 4,2 auf 3,5 Prozent sinken. Ein weiterer Punkt betrifft den Abbau des Missbrauchs von Leiharbeit: Reguläre Stammbelegschaften dürften nicht durch Zeitarbeiter ersetzt werden. Außerdem soll das Eintrittsalter in die Rente flexibler gehandhabt sowie die Teilrente ab 60 erleichtert werden. Besonderes "Augenmerk" wollen die Sozialdemokraten auf die Kinderarmut lenken: Geprüft wird, ob durch einmalige Hilfen die Situation der Kinder verbessert werden kann.

Jetzt liegt der Ball wieder in der Spielhälfte der Union. Bewegen müsste sie sich spätestens dann, wenn die SPD auf dem anstehenden Parteitag die Agenda-Korrektur beschließt und damit die Angelegenheit an die Regierung überweist. Denn grundsätzlich hält es auch die CDU für notwendig, das ALG I Älteren länger auszuzahlen, seit sie auf ihrem letzten Parteitag dem entsprechenden Vorschlag von Jürgen Rüttgers folgte.

Rüttgers allerdings schwebt ein Modell vor, das ohne zusätzliche Finanzspritzen auskommt. Dafür will er die Bezugsdauer von der Zahl der Beitragsjahre abhängig machen. Dies würde auf Kosten von Jüngeren gehen. Hier liegt der Kernunterschied zum Vorschlag von Kurt Beck. Ein Ende zu stützen, das andere dafür zu stutzen, kommt für den SPD-Chef nicht infrage. Seine Version aber, Älteren längeren Anspruch auf ALG I zu gewähren, ohne bei Jüngeren zu kürzen, kostet Geld. Das will Beck aus dem prall gefüllten Topf der Bundesagentur nehmen.

Auch in dieser Frage gibt es aber bereits Bewegung: Mit CSU-Chef Erwin Huber sprach sich schon am Montag ein führender Unionspolitiker dafür aus, der SPD im Streit um die Finanzierung entgegenzukommen. "Wir sind da gesprächsbereit, es darf aber keine Milliarden kosten", sagte Huber der Bild. Für Irritation sorgte gestern zudem ein Zeitungsbericht, wonach Kanzlerin Merkel Kurt Beck einen finanziellen Spielraum von einer Milliarde jährlich für Änderungen bei der Neuregelung der Zahldauer zugesagt haben soll. Auffällig war, dass der SPD-Chef gestern nach dem Treffen mit Müntefering die Kosten seines Vorschlags mit ebendieser Zahl bezifferte - obwohl er zuletzt stets von 800 Millionen gesprochen hatte. Den Bericht ließ Merkel zwar umgehend dementieren. An einer raschen Einigung scheint ihr dennoch sehr gelegen. In der Bild am Sonntag hatte sie sich zumindest ausdrücklich zu einer längeren Auszahlung bekannt.

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