Bayern: Beckstein beginnt mit Fußballdiplomatie

Bayerns neuer Ministerpräsident setzt Zeichen der Entspannung in den Beziehungen zu Tschechien. Die Sudetendeutschen Landsmannschaft hofft, das Verhältnis "zu entkrampfen".

Neuer Stil in der bayerischen Außenpolitik: Günther Beckstein Bild: dpa

Als "mutlos" wird dieser Tage die Politik des neuen bayerischen Ministerpräsidenten Günther Beckstein (CSU) oft bezeichnet - von der Opposition und sogar von CSU-Landtagsabgeordneten. Doch zumindest in der bayerischen Außenpolitik scheint mit Beckstein ein neuer Stil anzubrechen. Am Mittwoch kamen in München Beckstein und der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek zusammen - angesichts der anhaltenden Diskussionen um Vertreibung und die Benes-Dekrete der 1940er-Jahre ein brisantes Treffen.

Die Begegnung war zwar eine Kategorie inoffizieller, als in den Tagen zuvor gemunkelt worden war - statt eines Staatsbesuchs gab es einen kurzen Dialog "im Geiste des Fußballs" am Rande des Spiels Deutschland - Tschechien, wie es eine Topolanek-Sprecherin erklärte, und die Staatskanzlei wollte auf Anfrage beinahe gar nichts sagen -, aber dennoch ist klar erkennbar, dass Beckstein die Schlagzahl des mitteleuropäischen Dialogs erhöht und die festgefahrenen Beziehungen aufbrechen will. Erst im September hatte er, damals noch als Innenminister, Prag besucht. Und am kommenden Sonntag erhält der tschechische Oppositionsführer und Sozialdemokrat Jiri Paroubek in Bayern den Wenzel-Jaksch-Preis für eine humanitäre Geste gegenüber Nachkriegsvertriebenen in seiner Zeit als Regierungschef 2005. Auch er wird wohl den bayerischen Ministerpräsidenten treffen.

Zwar spricht auch Beckstein jedes Mal vehement die von Tschechien verdrängte Vertreibung an, doch seine Form der Kommunikation ist schon deutlich intensiver als Edmund Stoibers Außenpolitik, der den direkten Kontakt mit Tschechien vermied. Wahrscheinlich auch, weil seine in Böhmen geborene Frau Karin zu den Vertriebenen gehört, besuchte Stoiber in 14 Regierungsjahren nie Prag.

Dabei reicht das gemeinsame altbayrisch-fränkisch-böhmische Erbe vom Heiligen Wenzel bis zum Bildhauer Ferdinand Tietz. Doch unvergessen sind die 30er- und 40er-Jahre. Mit dem "Münchner Abkommen" 1938 wurden über 150.000 Tschechen zur Flucht gezwungen - nach Kriegsende revanchierten sich die Tschechen für den erlittenen NS-Terror: Fast drei Millionen Deutsche wurden aus der Tschechoslowakei vertrieben, etwa eine Million dieser sogenannten Sudetendeutschen fand eine neue Heimat in Bayern. Grundlage waren vor allem die Dekrete des damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Benes. Diese Gesetze, die Tschechien nicht revidieren will, sind seit nun über 60 Jahren Streitpunkt bei Bayern, das die Schirmherrschaft über die Sudetendeutschen übernommen hat.

Der CSU-Europaparlamentarier und oberste Vertreter der Sudetendeutschen in Deutschland, Bernd Posselt, verglich Becksteins neue Mitteleuropa-Politik am Mittwoch gegenüber der taz mit der einst als Pingpong-Politik bezeichneten Annäherung zwischen den USA und China. "Fußballdiplomatie ist wohl eine gute Möglichkeit, das Verhältnis zu entkrampfen", sagte Posselt. Sein Verband befürworte einen "möglichst intensiven Kontakt" zwischen Bayern und Tschechien, allerdings müsse der östliche Nachbar auch eine Aufarbeitung der Vergangenheit beginnen. "Ich glaube nicht, dass es richtig ist, wenn sich die Zeit darüber legt", so Posselt, "deshalb freuen wir uns auch, dass - wenn auch zaghaft - ein Nachdenken in Tschechien beginnt."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.