Kommentar Iran-Kreml: Außenpolitik für Sultane

Supermacht oder Supermann? Putin will eine Liga aufsteigen und haucht Ahmadinedschad neues Leben ein - damit widerruft er seine Vorschläge vom G8-Gipfel.

Russlands Außenpolitik leidet seit langem an einem Dilemma: Dem Kreml fehlt ein klares Konzept. Außenpolitik ist inzwischen ein bloßer Reflex, der ablehnt, unterläuft oder gar hintertreibt, was Amerikaner und Europäer für wünschenswert halten. Langfristig manövriert sich Russland damit ins Abseits, auch wenn Putin im Moment noch Punktgewinne verzeichnen mag. Moskaus letzte Winkelzüge im Atomstreit mit dem Iran machten das einmal mehr deutlich. Je länger sich der Konflikt hinzieht, desto mehr glaubt der Kreml sich darüber profilieren zu können. Selbst Mahmud Ahmadinedschad war von der Rückendeckung Putins freudig überrascht. Der Kremlchef hat ihm neues Leben eingehaucht, denn die UN-Sanktionen gegen den Iran sind nach dem Treffen der asiatischen und halbasiatischen Sultane in Teheran in noch weitere Ferne gerückt. Jetzt scheint es, als halte Russland die Fäden des Atomprogramms selbst in der Hand. Alles hängt davon ab, ob es den Ausbau des Atommeilers in Buschehr tatsächlich fortsetzt.

Eigentlich empfiehlt es sich daher, mit Russland direkt zu verhandeln. Denn die Rolle des Vermittlers hat es in Teheran endgültig preisgegeben. Zwar klingt die Deklaration und gegenseitige Verpflichtung, in der Region keine Gewalt zuzulassen, nach einem Friedensbekenntnis. Doch Russland widerruft hier vor allem seinen in Heiligendamm zur Überraschung aller formulierten Vorschlag, im aserbaidschanischen Gabala mit den USA gemeinsam ein Raketenüberwachungssystem zu nutzen. Und dies ohne Not. Doch der Kreml handelt heute frei von Werten und Inhalten - und betreibt stattdessen Realpolitik. Was diesem Ansatz zuwiderläuft, hält Moskau für ideologischen Firlefanz. Der Kreml sitzt dem Irrglauben auf, mit dieser Politik in die Liga der Supermächte aufrücken zu können. Unter Sultanen mag dies seine Wirkung nicht verfehlen. Wer sich aber wie Moskau weigert, international Verantwortung zu übernehmen, empfiehlt sich nicht als Supermacht. Die internationale Gemeinschaft weiß zwischen Supermacht und Supermann zu unterscheiden.

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Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.

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