Kommentar Italien: Weder modern noch sozial

Italiens Mitte-Links-Regierung hat zu viel Wohltaten versprochen. Erneut beweist sich: Dieses Bündnis ist eine reine Negativkoalition.

Man kann nicht beides: Wahlversprechen machen und sie sogar einlösen. Dieser Spruch könnte über dem Kabinettstisch der italienischen Mitte-links-Koalition unter Romano Prodi hängen. Im Wahlkampf gegen Silvio Berlusconi, im Frühjahr 2006, war das Bündnis mit einem Strauß voller Versprechen angetreten. Besonders populär unter den jungen Wählern war die Ansage, statt "prekärer" werde es in Zukunft höchstens "flexible" Arbeitsverhältnisse geben. Und die älteren Herrschaften wurden mit dem Anliegen umschmeichelt, Prodis Allianz werde die Erhöhung des Renteneintrittsalters rückgängig machen.

So etwas ist nicht neu in Demokratien - erst gewinnt man Wahlen, dann bemerkt man, dass die Versprechen leider nicht zu halten sind. Neu ist in Italien allerdings das Motiv für die Volte. Denn die kühnen Versprechen wurden gar nicht so sehr gemacht, um die Wähler zu ködern - den meisten links fühlenden Bürgern hätte schon ein Berlusconi-muss-weg völlig gereicht. Prodi hatte ein ganz anderes Motiv: Er wollte Parteien von radikal links bis gemäßigt konservativ in einer Koalition zusammenführen. Und so bekam jede Partei versprochen, was sie wollte.

Streit war programmiert - und kam nun auch. Die gerade entstehende Demokratische Partei, mit knapp 30 Prozent Kern der Koalition, akzentuiert ihren Charakter als gemäßigte Reformkraft gegen "linke Demagogen". Die vier Parteien des linken Koalitionsflügels streben ihrerseits einen Zusammenschluss an - im Namen des Kampfes gegen "neoliberale Entgleisungen".

In Italien schien mit dem Wahlsieg 2006 bewiesen, dass die beiden Linken - eine Agenda-2010-Sozialdemokratie und die "antagonistische Linke" - sich durchaus zusammenraufen und vielleicht sogar Modernisierung und soziale Gerechtigkeit zusammenbringen könnten. Doch dieser Versuch wurde erst gar nicht gewagt. Erneut erweist sich: Dieses Bündnis ist eine reine Negativkoalition. Italiens Linke wird das womöglich teuer bezahlen - mit dem Scheitern der Koalition und einer schnellen Rückkehr Berlusconis.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.